Neu in den Kinos: „Beautiful Wedding“ von Regisseur Roger Kumble (Foto: Leonine)
Silvia Thurner · 07. Aug 2012 · Musik

Ein Ereignis der Sonderklasse mit einem herausragenden Künstler unserer Zeit – HK „Nali“ Gruber bei den Bregenzer Festspielen

Während die ersten beiden Orchesterkonzerte eine eher gedämpfte Festivalstimmung aufkommen ließen, löste das dritte Begeisterung aus. HK Gruber, einer der bedeutendsten Komponisten Österreichs, der vor allem außerhalb der Staatsgrenzen viel Anerkennung findet, war in Bregenz zu erleben. Gemeinsam mit den Wiener Symphonikern interpretierte HK Gruber sein überaus erfolgreiches Werk „Frankenstein!!“ und bot damit allerbeste Unterhaltung. Werke von Hanns Eisler und Kurt Weill ergänzten das erlesene Programm.

„Frankenstein!!“ bündelt jene Qualitäten, die einen besonderen Aspekt der österreichischen Kompositionsgeschichte des 20. Jahrhunderts ausmachen. Es ist eine spezifische Art des Humors, mit der Gesellschaftskritik hintergründig und geistreich in Musik gesetzt und zur Sprache gebracht. HK Gruber ist neben seinen Komponistenkollegen Kurt Schwertsik und dem bereits verstorbenen Otto M. Zykan ein herausragender Künstler, der diese besondere Gabe hervorragend beherrscht.

Bösen Geistern mit Humor begegnet

Bezeichnenderweise trägt Grubers „Frankenstein!!" den Untertitel „Pandämonium für Chansonnier und Orchester“. Aus dem Lyrikband „allerleirausch. neue deutsche kinderreime“ von H.C. Artmann hat Gruber die Verse für seine Musik entnommen und die haben es in sich. Vordergründig wirken die Auszählreime und Gedichte witzig und humorvoll, doch zwischen den Zeilen liegt die Würze. HK Gruber als Orchesterleiter und als Chansonnier seines „Frankenstein!!“ zu erleben, war ein Erlebnis erster Klasse. Denn er hat unzählige stimmliche Ausdrucksfacetten parat, die er mitreißend einsetzt und dadurch den Gehalt der Verse messerscharf vermittelt.

Gute Laune

Spielzeuginstrumente bereicherten den Orchestersatz und verwiesen auf kindliche Verniedlichungen. Sie sind jedoch nicht als Selbstzweck eingebaut, sondern tragen eine musikalische Komponente in sich. So traten das musikantisch lustvolle Tun der Wiener Symphoniker und die energiegeladene Interpretation des neunundsechzigjährigen Komponisten in einen spannenden und unterhaltsamen Dialog.

Lachende Gesichter überall nach dem Konzert, das war ein einmaliges Erlebnis. Künstler dieses Formats bereichern die Bregenzer Festspiele und man darf sich freuen auf die Oper „Geschichten aus dem Wienerwald“, die HK Gruber im Auftrag der Bregenzer Festspiele komponiert.

Vielschichtige Solistin

Die Zusammenführung von Schau- und Songspiel in den „Sieben Todsünden“ von Kurt Weill und Bertolt Brecht ist mit der Sopranistin Gun-Brit Barkmin und dem Männerquartett mit Alexander Kaimbacher, Christian Drescher, Adrian Clarke und Richard Angas gelungen. Gun-Brit Barkmin verkörperte die Zwillingsschwestern namens Anna vielschichtig und hintergründig. Ihre wandlungsfähige Stimme und Bühnenpräsenz zogen das Publikum in ihren Bann und machten die schizophrene Persönlichkeit Annas deutlich. Dazu spielten die Wiener Symphoniker die unterschiedlichen Musikformen wie Walzer, Foxtrott, Marsch und Tarantella stets präsent und im Dienst der Solisten. Es war nicht ganz leicht, aus heutiger Perspektive der sarkastisch formulierten Sozialkritik zu folgen. Doch auch dieses Werk von Kurt Weill und Bertolt Brecht war eine Rarität und die Exklusivität der Programmgestaltung des von HK Gruber kuratierten Festspielkonzertes wurde damit unterstrichen.

Rarität

Auch Hanns Eislers Werk „Kule Wampe, Angst“ ist hierzulande praktisch nie auf Konzertprogrammen zu finden. Die Wiener Symphoniker unter der Leitung von HK Gruber führten das Publikum sogleich mitten hinein ins Geschehen. Obwohl das Orchester in sich etwas undifferenziert wirkte, kam das Spiel mit unterschiedlichen kompositorischen Stilelementen, bereichert durch bemerkenswerte Soli, gut zur Geltung. Aus dem „Angst-Couplet“ nach einem Text von Johann Nestroy schien eine gar nicht weit hergeholte aktuelle Brisanz hindurch.