Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Ionian · 27. Jul 2012 · Musik

Weltmusikhighlight wurde feierlich betanzt – Red Baraat beim FOEN-X Festival in der Kulturwerkstatt Kammgarn

Es ist die Zeit der Festivals. Und wie es scheint, hat Vorarlberg so richtig Feuer gefangen. Wenn man sich ein wenig umsieht, wirkt es wie ein Flächenbrand. Allerorts lodern Festivalinitiativen, die sich gegenseitig qualitativ zu übertreffen suchen. Gestern gab es einen Einsatz im Unterland in Hard am Bodensee. Das bereits zwölfte FOEN-X Festival steigt gerade in der Kulturwerkstatt Kammgarn aus der eigenen Asche. Als Exempel zündeten Red Baraat mit unbändigbarer Energie einen Funken strahlender Lebensfreude.

Rahmenveränderung

Vom See zurück zur Spinnerei. Nach zehn Jahren im Zelt am See und im Thaler-Areal Hard ist das FOEN-X Festival wieder in die Kammgarn umgezogen. Dieser Rückschritt ist nur ein scheinbarer. Das Programm, das Manfred Rendl und sein Team auf die Bühne bringt, folgt höchsten Ansprüchen und hat zu Recht den Ruf, auch mal frische Töne ins Land zu locken. Und auch rund ums Venue hat man sich Gedanken gemacht. Die Vorarlberger Künstlerin Iris Hercher hat die Fassade eingegarnt und gibt der Spinnerei treu ihrer Geschichte einen roten Faden. Auch sonst gestalten sich die Räumlichkeiten luftig und sommerlich. Die Terrasse im Außenbereich lädt zum Verweilen ein und innen wurde eine Arena gebaut. Hier finden Tanzfaule verschiedene Sitzgelegenheiten ringsum, Stehtische geben den Unentschlossenen Halt, während die Mitte des Raums ganz dem Tanz gehört. Das Ambiente passt und auch das Programm, jetzt liegt es am Publikum, dieses ansprechende Festival auch entsprechend zu beleben. Das Weltmusikhighlight von gestern hätte auf jeden Fall mehr Publikum verdient gehabt.

Bhangra Funk & Dhol’n’Brass

Red Baraat wurden als die amerkanisch-indische Antwort auf Balkan Brass, Russendisko und Latin-Ska angekündigt. Der Percussionist und Frontman Sunny Jain erklärte, dass sie keine indische Tanzkapelle sein wollen, sondern eben einen authentischen New-York-Sound machen würden und der sei für sie eine Fusion aus Funk, indischen Rhythmen und Weltmusik. Und genau das mache New York aus, beschrieb der Brooklyner, dass die Stadt und das Leben von zahlreichen unterschiedlichen ethnischen Hintergründen durchwachsen sei und so seinen ganz eigenen lebendigen Charakter erhalte. Auf die Bühne kamen neun Musiker, die bunter nicht hätten sein können. D’n’B heißt bei Red Baraat Drums and Brass. Gleich drei Mal wurde Schlagwerk getrommelt, Tomas Fujiwara bediente das Drumset, Rohin Khemani ergänzte durch Percussion und Sunny Jain selbst bewies sich als Könner an der Dhol. Diese indische Doppelfell-Fasstrommel schuf das Feeling des eigentümlichen Soundtracks eines Bollywood Films. Bhangra ist übrigens ein Punjabi-Volkstanz aus dem Nordwesten Indiens. Der Bläsersatz konnte voller nicht sein. Von Alex Hamlins Sopransax über Sonny Singhs Trompete, Ernest Stuarts Posaune und Miwi La Lupas Basstrompete bis zu Mike Bomwells Baritonsax und John Altieris Tuba war nahezu die ganze Bandbreite an blasbarem Blech auf der Bühne. Entsprechend kraftvoll fegte der Sturm dieser Klangvielfalt, der in sich perfekt abgestimmt war, in die Kammgarn Arena.

Jeder war Teil der Band

Sie fackelten nicht lange herum. Gleich zu Beginn wurden alle eingeladen, sich zu erheben, die Arme in die Luft zu reißen und ausgelassen zu tanzen. Und die meisten folgten diesem Aufruf. So verwandelte sich die Kulturwerkstatt von einem Moment auf den anderen in eine ekstatische Zappelei. Red Baraat kannten kein Erbarmen und lieferten eine Tanznummer nach der anderen. Temposteigerungen und plötzliche Rhythmusvariationen waren dabei keine Seltenheit. Sowas ähnliches wie kurze Verschnaufpausen schufen die beeindruckenden Soli sämtlicher Musiker, die sich zirkulierend in den Vordergrund spielen konnten. Und immer wenn die Kräfte im Publikum langsam schwanden, wurde erneut erfolgreich animiert. Die kurze tatsächliche Pause in der Mitte des Sets tat da grad gut, um ein wenig frische Luft zu schnappen und neue Kräfte zu tanken. Die Gäste wurden danach im Freien von einer Brass-Prozession abgeholt und wieder direkt in die Party begleitet. Die Band versprach, dass nix passiere, wenn man tanze, außer dass man Spaß habe. Und dieses Versprechen haben sie gehalten. Die sympathischen jungen Musiker zeigten sich danach noch am Merchandise-Stand und signierten ihre im April in Europa erschienene CD „Chaal Baby“. Mit dem Versprechen, dass sie im Herbst wieder nach Europa kommen werden, gaben sie den begeisterten Besuchern noch ein wenig Hoffnung auf ein Wiederhören zum Abschied. Und jeder, der dabei war, wird sich wohl den nächsten Konzerttermin wieder dick in den Kalender schreiben. Alle, die nicht dabei waren, sind selbst schuld.