Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 30. Jul 2012 · Musik

„Es liegt quer“ – revolutionäre Haltungen bei „Musik & Poesie“ musikalisch und literarisch in eindringlichen Bildern dargestellt

Die Begegnung mit dem Autor und Kinderpsychiater Paulus Hochgatterer und dem Prager Philharmonsichen Chor im Seestudio des Bregenzer Festspielhauses war ein nachdrückliches Erlebnis. Hervorragend disponiert, interpretierten die ChorsängerInnen die „10 Gedichte nach Texten revolutionärer Dichter“ von Dmitri Schostakowitsch. Besondere Beachtung fand neben den Texten und der Musik der Chorleiter Lukáš Vasilek. Er lebte die musikalischen Deutungen mit einem ausdrucksstarken Dirigat, sehr präsent und doch bescheiden.

Den Klang des Prager Philharmonischen Chores hatten jene KonzertbesucherInnen, die auch die Oper „Solaris“ bei den Bregenzer Festspielen gehört haben, sicher noch im Ohr. Dementsprechend spannend war es, die ChorsängerInnen aktiv auf der Bühne erleben zu können. Der homogene Gesamtklang und die hervorragende Aussprache brachten nun auch in Schostakowitschs' "10 Gesängen", op. 88 die Vokalklänge der musikalischen Linien vielgestaltig zur Geltung. Dabei wurden die emotionalen Ebenen der Lieder, die auf Texten der revolutionären Dichter Leonid Radin, Jewgeni Tarassow, Alexei Gmyrjew sowie Arkadi Koz beruhten, ihren Inhalten entsprechend energiegeladen und mit eindrucksvoller Ruhe ausgestaltet. Sämtliche Schattierungen zwischen lauten und leisen Passagen erklangen plastisch modelliert.

Vielgestaltige Werkdeutungen

Lyrische und aufbrausende Passagen verliehen besonders den ersten drei Liedern auch einen Botschaftscharakter. Im Mittelteil des Liederzyklus konzentrierten sich die ChorsängerInnen auf den in sich gekehrten Aussagegehalt. Vor allem in diesen Abschnitten zeigte sich die ausgewogene Klangbalance und der energetische melodische Fluss des Prager Philharmonischen Chores. Herausragend artikuliert wirkte der Aufforderungscharakter im abschließenden Lied. Der Chor und sein Leiter Lukáš Vasilek agierten beeindruckend als in sich geschlossene Einheit.

Erlebt und erzählt

Paulus Hochgatterer ist als Kinderpsychiater und Autor erfolgreich. Geschichten seiner Kindheit, seine kritische Sicht auf die Welt und zwischenmenschliche Beziehungen verbinden sich in seinen literarischen Werken zu eindruckvollen Erzählungen. Spiegelungen und Reflexionen sowie revolutionäres Aufbegehren in vielerlei Facetten schilderte Paulus Hochgatterer mit den drei Geschichten „Ein Kind ist da“, „Ein Kind schreit“ und „Ein Kind verstummt“. Die Geschichten wirkten authentisch und zogen die Zuhörenden in ihren Bann. Durchaus humorvoll beschrieb der Autor von den Urgewalten, die auf ein Kind und die Helfer während der Geburt einwirken. Er erzählte eindringlich davon, wie sich Energien und alles Denken in einem Schrei bündeln und nach außen dringen und wie tragisch es ist, wenn ein Kind verstummt. Jede Mutter und jeder Vater fühlte mit den aus dem Leben gegriffenen Geschichten mit.

Paulus Hochgatterer siedelte seine Geschichten in einer ländlichen Umgebung an, weil er auch dort aufgewachsen ist. Er erzählte mit ungekünstelten geraden Sätzen, die gut nachvollziehbar sind. Mitten hinein setzte er jedoch ‚Fremdwortungetüme’, die aus dem Text herausstachen und für mich nicht einzuordnen waren. Als Stilmittel wirkten sie gekünstelt.

Tipp:
Die Unsicherheit unseres Blicks. Makulatur von Paulus Hochgatterer. Werkstattbühne, 9. August,19.30 Uhr (Premiere) weitere Aufführungen 10. und 11. August