Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 16. Dez 2021 · Musik

Weltklasse-Jazz aus Wien – Mario Rom’s Interzone begeisterte am Dornbirner Spielboden

Von keinem Geringeren als von William S. Burroughs ließ sich das exzellente Trio des Trompeters Mario Rom mit dem Kontrabassisten Lukas Kranzelbinder und dem Schlagzeuger Herbert Pirker zum Bandnamen Interzone inspirieren. Heuer wollte man eigentlich das 10-Jahr-Jubiläum mit gut zwei Dutzend bereits fixierter Konzerte im Rahmen einer ausgedehnten Tournee feiern. Aber „nix da“ meinte das Virus und ließ noch eine Handvoll zwischen den Lockdowns verstreute Live-Auftritte übrig, einen davon glücklicherweise am Dornbirner Spielboden. „Uns ist jede Note wichtig, die wir heute hier spielen“ – so formulierte Kranzelbinder in einer seiner witzigen und unterhaltsamen Ansagen die Freude der Musiker, endlich wieder einmal vor Publikum auftreten zu dürfen. Jenes zeigte sich nicht weniger erfreut und begleitete das Trio mit großer Begeisterung und beeindruckender Aufmerksamkeit auf seiner spannenden musikalischen Expedition.

Kollektiv kreativer Virtuosen

Rom, Kranzelbinder und Pirker spielen aber nicht nur seit 2011 im Trio Interzone zusammen, sondern bilden auch das Herzstück von Kranzelbinders 2016 gegründetem, vielerorts ganz besonders angesagten Power-Septett Shake Stew, das heuer als „Band des Jahres international“ mit dem Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet wurde. Die drei Herren kennen sich also in- und auswendig, und die perfekt stimmende Bandchemie ist auch jenseits der uniformen schicken Anzüge jederzeit spür- und hörbar. Jeder beherrscht sein Instrument auf virtuose Weise, der Bandleader etwa vermag seiner seltsam gebogenen Trompete jegliche Stimmung und Farbnuance zu entlocken. Aber man versteht sich eben vor allem als Kollektiv, dementsprechend wird ganz besonderer Wert auf einen organischen Bandsound gelegt. Die vier bislang erschienenen Interzone-Alben sind allesamt Wunderwerke in Sachen Kreativität, Energie und Abwechslungsreichtum und pendeln elegant zwischen cooler Entspanntheit und funkensprühender Hochspannung. Und, angesichts der Extraklasse aller Beteiligten kaum erwähnenswert: Was sich bislang auf vier hervorragenden Alben perfekt in Rillen pressen ließ, erwies sich am Spielboden auch als hochgradig bühnentauglich.   

Musikalische Überraschungen sind Programm

Gleich zum Auftakt erklang das Titelstück des exzellenten, heuer erschienenen Albums „Eternal Fiction“, eine melodiöse Hard Bop-Nummer, die von einem quirligen Schlagzeug und einem erdigen Bass vorangetrieben wird, während die Trompete mehr oder weniger sanfte Attacken reitet oder elegisch dahinschwelgt. Vom selben Album stammt auch die wunderschöne Ballade „Chant For The Voiceless“: die Drums sanft mit dem Besen gerührt, der Bass langsam vor sich hin tropfend und die Trompete zwischen leise verhaucht und strahlend changierend. Vom 2017er Album „Truth is Simple to Consume“ spielte das Trio ebenfalls drei Stücke. „Pleasure as Relief“ startet als rasanter Bebop, um nach mehreren Richtungswechseln in einem ekstatischen Finale zu enden, während das äußerst stimmungsvolle „Change of Truth“ durch den schönen Kontrast zwischen ruhigem Schlagzeug, getragenem Bass und ultraexpressiver Trompete besonders reizvoll erscheint. In das experimentierfreudige, mit rhythmischen Stolperfallen versehene „Choose Your Vision“ ist Noisehaftes integriert, das irgendwie nach mongolischen Obertonnebelhörnern klingt – falls es so etwas überhaupt gibt. Alle genannten Kompositionen stammen aus der Feder Mario Roms, der übrigens als Professor für Jazztrompete an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz unterrichtet. Lukas Kranzelbinder steuerte „Hans“ bei, das sich – von einem längeren Bass-Solo eingeleitet – zum rollenden Blues entwickelte und Roms Trompete in expressive Höhenflüge führt, als ob gerade Lester Bowie kurz mal vorbeigeschaut hätte. Ein kreatives Spiel mit Versatzstücken aus der Jazz-Geschichte, wie so vieles bei Interzone. Und beinahe jedes Stück durchläuft mehrere Mutationen, musikalische Überraschungen sind hier Programm. Als Zugabe war dann noch die einzige Fremdkomposition des Abends zu hören, Bernie Waynes lässig swingender, unzählige Male gecoverter Klassiker „Blue Velvet“ mit seiner Mördermelodie, die man jederzeit wiedererkennt, wenn man sie einmal gehört hat – ein Lieblingsstück der drei Musiker, wie Kranzelbinder erzählte, und der perfekte Abschluss für diesen musikalisch hochklassigen und witzig-angenehmen Konzertabend.

Nächstes Konzert der Jazz-Reihe am Spielboden:
Di, 28.12.21, 20.30 Uhr
Jazzorchester Vorarlberg feat.
Orges & The Ockus-Rockus Band
www.spielboden.at