Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Fritz Jurmann · 23. Mai 2014 · Musik

Der Wagnerverband präsentierte ein besonderes Gesangstalent – Isabel Pfefferkorn hat den Liedgesang zu ihrem Lebensinhalt erklärt

Sie ist jung, hübsch und im Gegensatz zu den meisten ihrer Altersgenossen vernarrt in den klassischen Liedgesang. Am Donnerstag bewies die 22-jährige Mezzosopranistin Isabel Pfefferkorn aus Bludenz als Stipendiatin des Richard-Wagner-Verbandes Vorarlberg ihr besonderes Talent bei einem von Hans-Udo Kreuels am Flügel mitgestalteten Liederabend im ORF-Landesfunkhaus Dornbirn. Die zahlreichen Zuhörer zeigten sich einhellig begeistert davon, mit welch stimmlicher und gestalterischer Reife die junge Sängerin ein düsteres Schumann-Recital mit drei großen Liedzyklen bewältigte.

Neben Opernfahrten und monatlichen Stammtischen mit Vorträgen, in denen das Werk Richard Wagners für die Mitglieder vertieft wird, ist die jährliche Wahl eines Stipendiaten eine der zentralen Aufgaben des Vorarlberger Richard-Wagner-Verbandes. Die so Auserwählten kommen aus allen musikalischen Bereichen und erhalten die Möglichkeit, bei den berühmten Bayreuther Festspielen drei Operninszenierungen von Wagner mitzuerleben. Das ist allein deswegen bemerkenswert, weil dieses Festival üblicherweise hoffnungslos überbucht ist. Im Normalfall dauert es acht Jahre, bis ein Interessent nach jährlichen Ansuchen in den Besitz der begehrten Karten kommt. Isabel Pfefferkorn wurde 2013 vom Vorstand des Verbandes zur Stipendiatin gekürt und gab nun wie üblich im Folgejahr als Dankeschön ein Konzert für Vereinsmitglieder und Freunde.

Aus einem musikalischen Umfeld


Im Gespräch mit Bettina Barnay vom ORF, die den Abend sympathisch und informativ moderierte, gesteht die junge Sängerin, sie habe schon im Kindergartenalter gewusst, dass sie „einmal Opernsängerin“ werden möchte. Für Insider eine klare Sache, wenn man weiß, aus welch musikalischem Umfeld sie stammt, mit Großvater Joachim, einst verdienstvoller Kirchenmusikreferent der Diözese, und dem als Musikpädagogen und Komponisten tätigen Vater. Sie studierte Gesang, Klavier und Cello und wurde in der Förderklasse für musikalische Hochbegabungen am Landeskonservatorium bei Dora Kutschi ausgebildet. Isabel sammelte erste Bühnenerfahrungen, erhielt auch bereits zahlreiche Auszeichnungen, ist Mitglied der Stiftung „Musik und Jugend“ in Liechtenstein und studiert seit Herbst 2011 an der Zürcher Hochschule der Künste bei Prof. Lina-Maria Akerlund, wo sie demnächst ihren Bachelor-Abschluss machen wird. In Meisterkursen, u. a. beim legendären Kurt Widmer und bei Angelika Kirchschlager, hat sie sich vervollkommnet. Als weiteres Ziel steht ein Meisterkurs für Pop- und Jazzgesang mit dem Master-Abschluss in Zürich auf dem Programm der ehrgeizigen jungen Künstlerin.

Der Vorarlberger Verein „protalentum“ hat Isabel Pfefferkorn schon vor Jahren gefördert und ihr im Dezember 2012 die Chance gegeben, sich nach einem Auftritt in der Villa Grünau in Kennelbach erstmals auch im Bregenzer Theater Kosmos auf das glatte Parkett eines Liederabends zu begeben. Dieser Auftritt nun im ORF nach eineinhalb Jahren lässt eine deutliche Weiterentwicklung erkennen. Die zierliche, fast zerbrechlich wirkende Sängerin stellt sich im Funkhaus ohne Anzeichen merklicher Nervosität vor die rund einhundert Besucher samt der unbestechlichen ORF-Mikrofone und singt ein Programm meist schwermütiger, tiefgründiger, romantischer Lieder von Robert Schumann – natürlich alles auswendig, das ist heute längst Standard. Ein durchaus ungewöhnliches Repertoire für eine junge Frau, aber: „Ich kann mich in diesen Liedern am besten ausdrücken und fühle mich wohl in dieser Gefühlswelt“, gesteht sie im Gespräch.

Von der Wiege bis zur Bahre


Dies bringt dann natürlich auch besondere Anforderungen an Gestaltungskraft und Ausdrucksfähigkeit mit sich, wenn die Sängerin etwa im zentralen und populärsten Zyklus „Frauenliebe und -leben“ in acht Liedern das Leben einer Frau quasi von der Wiege bis zur Bahre zu durchmessen und dem Zuhörer glaubhaft zu machen hat, wie sie Robert Schumann 1840 in einer Zeit großer Verliebtheit zu seiner Frau Clara komponiert hat. In einem kleinbürgerlichen Lebensgemälde geht es um die Wandlung der Frau von der schwärmerischen Geliebten über die schwangere Gattin bis zur trauernden Witwe – eine ungeheure Spannweite also mit aus heutiger Sicht nur schwer erträglichen, schwülstigen Texten von Adelbert von Chamisso, die die demütige Hingabe der Frau an den Mann zur Maxime erklären („Seit ich ihn gesehen, glaub‘ ich, blind zu sein“ oder „Er, der Herrlichste von allen“).

Geschmackvoll, mit sparsamer Gestik und Mimik, dafür mit einer tragenden, warm timbrierten und schön ausgebildeten Stimme, die sie sehr kultiviert einsetzt, weiß sie diesen großen Bogen überzeugend zu gestalten, neben der verliebten Schwärmerei auch den Schmerz in fahlen Tönen und sparsamem Vibrato erlebbar zu machen. Saubere Intonation und Wortdeutlichkeit waren schon früher da, an Schönheit, Ausdruckskraft und Volumen hat ihre Stimme seit dem Debüt deutlich dazugewonnen. Der Sängerin stehen aber auch die technischen Mittel zu Gebote, ihre Stimme in der staubtrockenen Akustik des Sendesaales zum Klingen zu bringen. Auch die Schwüle dieses Tages, das bevorstehende Gewitter lassen sie scheinbar kalt.

Hans-Udo Kreuels als idealer Klavierpartner


Diese Eigenschaften spürt man auch in den beiden weiteren, kaum bekannten Schumann-Zyklen. Sieben knapp formulierte späte Lieder op.104 entstanden etwa nach Texten der früh vollendeten, genialen Elisabeth Kulmann (1808 – 1825), die zehn Sprachen fließend beherrschte, zahlreiche Lyrik verfasste und bereits mit 17 starb. Besondere Gedankentiefe zeichnen die sechs Lieder nach Nikolaus Lenau op. 90 und ein „Requiem“ aus, die Isabel Pfefferkorn mit besonderer Hingabe, großem Ernst und innerer Reife gestaltet.

In den vielen gestalterischen Ansätzen, wie sie die Romantik erfordert, merkt man beim gesamten Programm die Detailarbeit, die hier mit dem erfahrenen Pädagogen und Pianisten Hans-Udo Kreuels geleistet worden ist. Er wird am weich klingenden Bösendorfer auch zum idealen Partner der Sängerin, der sie unterstützt, aber auch fordert und Schumanns wunderbare Klaviermusik in vielen Farben zum Leuchten bringt. Das Publikum zeigt sich sehr angetan von diesem besonderen, stimmigen Abend im Geiste Robert Schumanns, Peter Stemberger als Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbandes bedankt sich bei der Künstlerin mit einem Blumenstrauß.

 

Sendetermin im Hörfunk:
So, 9. November 2014, 20.05 Uhr, Radio Vorarlberg