Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 16. Jul 2022 · Musik

Vorwärtsdrängen, ausbremsen und verweilen – das Mandelring Quartett und Isang Enders hinterließen einen zwiespältigen Eindruck

Sechsmal konzertierte das deutsche Mandelring Quartett bereits bei der Schubertiade in Schwarzenberg bzw. in Hohenems. Beim siebten Konzert im Markus-Sittikus-Saal interpretierten Sebastian Schmidt, Nanette Schmidt, Andreas Willwohl und Bernhard Schmidt Haydns Streichquartett, op. 76/2. Der Cellist Isang Enders ergänzte das Quartett bei der Darbietung von Glasunows Streichquintett, op. 39 und Schuberts berühmtem Streichquintett in C-Dur. Die Werkdeutungen verströmten zwar individuelle Qualitäten, doch die teilweise sehr eigenwillige Spielart, insbesondere des Primgeigers, sorgte für Irritationen.

Vor fast vierzig Jahren gründete der Violinist Sebastian Schmidt mit seinen Geschwistern das Mandelring Quartett. Seit 2016 musiziert der Bratschist Andreas Willwohl im renommierten Streichquartett. Sogleich mit den ersten Takten des Haydn Streichquartetts lenkte die Spielart des Primgeigers die Aufmerksamkeit auf sich, denn er musizierte mit einem offensichtlichen Hegemonieanspruch. Dies führte im Verhältnis zu den anderen Stimmen in zahlreichen Passagen zu einem Ungleichgewicht. Störend war zudem die auffallend oft nachlässig ausgeführte Intonation. Als Ganzes betrachtet entsprach die Musizierhaltung des Mandelring Quartetts nicht meinem Ideal des Streichquartettspiels, bei dem sich vier gleichberechtigte Partner:innen in einem emphatischen musikalischen Geben und Nehmen entfalten.
Joseph Haydns Streichquartett, op. 76/2 trägt fast symphonische Züge und besticht durch seinen raffinierten Humor. Das Mandelring Quartett lebte beide Aspekte mit Esprit aus, spielte die Themen markig und mit energischen Strichen. So brachten die Musikerin und die Musiker die zahlreichen kontrapunktischen Linienführungen plastisch zur Geltung. Schroff und kauzig modelliert erklang das berühmte Menuett. Im humorvollen Finale spielte Sebastian Schmidt seine Rolle quirlig und mit vorwärtsdrängendem Gestus aus.

Energischer Glasunow, aufgewühlter Schubert

Die energetische Stimmführung des Mandelring Quartetts kam dem Streichquintett in A-Dur, op. 39 von Alexander Glasunow zugute. Isang Enders verstärkte den Cello-Part und fügte sich kraftvoll ins Ensemble ein. Im Mittelpunkt dieses Werkes stand der Bratschist Andreas Willwohl, der seine prominent gesetzten Themen mit einer warmen und abgerundeten Tongebung formulierte. Expressiv ausgestaltet erklang der Eröffnungssatz, der zu einem virtuos gesteigerten Allegro geführt wurde. Die Pizzicati im Scherzo spielte das Quintett schwungvoll, um danach die luftige Leichtigkeit mit satten, chromatisch gegenläufig geführten melodischen Linien zu kontrastieren. Einen elegischen Touch verliehen das Mandelring Quartett und Isang Enders dem Andante. Kraftvoll erklang der Finalsatz, der in seiner kontrapunktischen Anlage eine interessante Klammer zum vorangegangenen Haydn-Quartett bot. Zum Ende hin bündelte das Ensemble die Kräfte und führte das Werk zu einem imposanten Schluss.
Franz Schuberts Streichquintett in C-Dur (D 956) ist eine der berühmtesten und berührendsten Kompositionen überhaupt. Jede und jeder Kammermusikliebhaber:in kennt wohl unterschiedliche Interpretationen dieses Werkes. Meiner Ansicht nach benötigt diese Komposition, vor allem für die Deutung des ätherischen zweiten Satzes, eine sehr ausgewogene innere Ruhe und Klangbalance.
Die eher energische Spielart des Mandelring Quartetts erzeugte im Eröffnungssatz in einem zügigen Grundtempo eine aufgewühlte Spannung. Im Adagio fanden die Musikerin und Musiker zwar einen abgeklärten Ton, doch eine in sich ruhende Gelassenheit stellte sich meiner Wahrnehmung nach nicht ein. Vom Bordun getragen, erklang das etwas nervös geformte Presto. Im Trio wurde der feinsinnig geführte, homophone Satz schön zelebriert. Zu dominant wirkten die Begleitstimmen in der Eingangspassage ins abschließende Allegretto, doch später stellte das Quintett mit einem rasant gesteigerten Tempo einen fulminanten Abschluss in den Raum.
Die Wirkung auf die Zuhörenden blieb nicht aus, jubelnd applaudierte das Publikum. Damit zeigte sich einmal mehr, wie unterschiedlich Vorstellungen, Ansichten und Vorlieben hinsichtlich verschiedener Interpretationsansätze sein können.

www.schubertiade.at
www.mandelring.com