Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 18. Jul 2022 · Musik

Lange nachklingende Klavierkunst mit Tiefgang – Aaron Pilsan löste bei der Schubertiade Hohenems Jubelstimmung aus

Der Pianist Aaron Pilsan zog bei seinem Recital im Rahmen der Schubertiade Hohenems durch seine sympathisch kommunikative Art und mit seinen faszinierenden Werkdeutungen die Zuhörenden in seinen Bann. Gut durchdacht legte der Musiker die Werkfolge mit einer inhaltsreichen Dramaturgie aus Spannung, Ausdrucksgehalt und humorvoller Unterhaltung an. Den Rahmen bildeten eine frühe Beethovensonate sowie Schuberts späte Sonate in c-Moll. Die fantastisch dargebotene Wandererfantasie (D760) stellte den Höhepunkt dar und für Heiterkeit sorgte eine Haydnsonate.

Aaron Pilsan tritt seit 2012 regelmäßig bei der Schubertiade auf und jeder seiner Auftritte war bislang ein herausragendes Erlebnis. Am Sonntagvormittag setzte er seinem bisherigen, guten Renommee die Krone auf, denn in den vergangenen Jahren hat der 1995 in Dornbirn geborene Musiker sein musikalisches Profil weiter geschärft. Aaron Pilsans intensive und in einem viel beachteten Album dokumentierte Beschäftigung mit Johann Sebastian Bach bildete sicher einen idealen Nährboden für die nun glasklare, perlende Anschlagskultur. Zudem war das Spiel von einer bewundernswerten Leichtigkeit geprägt. Daraus schöpfte der Pianist Energie, die er mit viel musikalischer Ausdruckskraft in alle Werkdeutungen legte.
Sympathisch suchte und fand Aaron Pilsan sofort den Kontakt zum Publikum, weil er mit seiner fröhlichen Art die Zuhörenden direkt ansprach und ihnen von seinen Erfahrungen mit Beethovens Sonate und auch Schuberts Werken erzählte.
Bei seinem ersten Schubertiade-Recital vor ziemlich genau zehn Jahren hatte Aaron Pilsan die „Wandererfantasie“ (D 760) bereits interpretiert. Nun habe er sie bewusst wieder aufs Programm gesetzt, weil er genau dieses Werk in besonderer Weise mit der Schubertiade verbinde, erzählte der Musiker.

Symbol der Entfremdung in einer verständnislosen Zeit

Eindrucksvoll stellte Aaron Pilsan das Eingangsthema in den Raum, entfaltete den typischen, schreitenden Duktus und hielt ihn während des gesamten Werkes präsent. Im zentralen Mittelteil nahm der Pianist den kraftvollen Ausdruckscharakter zurück und beleuchtete den musikalischen Fluss von einem ganz anderen Blickwinkel aus. Sensibel und feinsinnig spielte Aaron Pilsan das Lied „Der Wanderer“, das Schubert als Selbstzitat so facettenreich weiterverarbeitet hat, aus und drang zur musikalischen Quintessenz der „Wandererfantasie“ vor.
Die musikalisch dargestellte Entfremdung des Protagonisten, die Einsamkeit und die drängende Frage, wo das „hoffnungsgrüne Land sei, wo seine Freunde gehen“ deutete Aaron Pilsan plastisch aus. Sensibel tragend, ohne Bassfundament, erklangen die schwebenden Tonrepetitionen. Die harmonischen Licht- und Schattenverhältnisse sowie irrlichternde Passagen, die neue musikalische Sinnzusammenhänge herstellten, kamen eindrücklich zur Geltung. Zum Schluss hin setzte der Pianist imponierend seine Kräfte frei.
Von einem inneren Singen bestimmt war die transparent dargebotene Sonate op. 2/1 von Ludwig van Beethoven. Die melodischen Leittöne und Zielpunkte sowie die Modulationen des klassischen Sonatenhauptsatzes erklangen hervorragend nachvollziehbar. Sinnlich zelebriert wirkte die Sonate in c-Moll (D 958) von Franz Schubert, wo im Eröffnungssatz vor allem die Perspektivenwechsel und die Ausleuchtung der harmonischen Klangfelder in Erinnerung blieben. Aaron Pilsans Kunst, Akkorde sehr genau auszutarieren und ihnen damit nuancierte unterschiedliche Gewichtungen zu geben, zeichnete das Adagio aus. Überdies bot dieser Abschnitt spannende Vergleiche zur zuvor erklungenen Beethovensonate und zur „Wandererfantasie“.
Wie wandlungsfähig und vielseitig Aaron Pilsan am Klavier ist, zeigte sich auch mit der beschwingt und humorvoll interpretierten Sonate (Hob.XVI:43) von Joseph Haydn. Es machte dem Interpreten sichtlich Spaß, die überraschenden Wendungen, unerwartete Tonschritte sowie rhythmische Verschiebungen, die die Themengestaltung ins Stolpern brachte, auszukosten. Selten zuvor kam Haydns musikalischer Humor so lebendig und fröhlich vom Podium direkt zu den Zuhörenden.
Das Publikum reagierte begeistert und spendete tosenden Applaus für das erfrischende Recital, das noch lange nachklingen wird. Aaron Pilsan dankte mit drei Zugaben, darunter zwei Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach.

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