Die Berliner Band „Milliarden“ beim Poolbar Festival (Foto: Darius Grimmel)
Fritz Jurmann · 16. Aug 2019 · Musik

Vorläufige Bilanz der Saison: Die Festspiele im Glück

Mit etwa 250.000 Besuchern in einer Saison kann eine Bilanz kaum besser sein als jene, die am Freitagvormittag von den Bregenzer Festspielen auf der Parkterrasse der Seetribüne präsentiert wurde. Mit der wichtigen Einschränkung „vorläufig“ allerdings, denn es geht neben einer Produktion auf der Werkstattbühne und dem Orchesterkonzert des SOV in den letzten drei Tagen auch noch um drei große Fragezeichen in Form der letzten drei „Rigoletto“-Aufführungen am See. Das heißt letztlich, dort im Falle von Schlechtwetter-Absagen bis zu 15.000 Zusehen haben oder nicht haben. Warum man dann die Abschluss-Pressekonferenz nicht gleich am Montag abhält, wenn alles klar ist, erschließt sich wohl niemanden. Aber es ist ein lange gepflegtes Ritual, das man so einfach zu akzeptieren gelernt hat.

Entspannte Gesichter

Ungeachtet dessen sind die Gesichter der Festspielspitze mit Präsident Hans-Peter Metzler, Intendantin Elisabeth Sobotka am Ende ihrer fünften Saison und dem Kaufmännischen Direktor Michael Diem absolut entspannt, und es ist in ihren von Pressesprecher Axel Renner abgefragten Statements immer wieder von Glück und großer Zufriedenheit die Rede, dass eben heuer alles so gelaufen ist mit diesen rund 80 Veranstaltungen im 74. Bestandsjahr. In Prozentzahlen heißt das, dass Verdis Oper „Rigoletto“ am See mit 27 Aufführungen bereits zur Premiere zu 100 Prozent ausverkauft war, knapp dahinter rangieren die Hausoper „Don Quichotte“ und das Schauspiel „Don Quijote“ mit je 99 Prozent, die drei Symphoniker-Orchesterkonzerte und „Musik & Poesie“ mit je 98 Prozent, die Oper „Der Reigen“ mit 96 Prozent und das Opernstudio mit 90 Prozent.
Das heißt aber auch, dass sehr zum Leidwesen von Michael Diem bei den bisher drei wegen Regen entfallenen Aufführungen am See jeweils rund fünftausend Besucher für heuer auf einen Besuch verzichten mussten und auf das nächste Jahr verwiesen wurden. Man hat das allerdings bereits einkalkuliert gehabt, eine Regenversicherung greift ab der dritten entfallenen Vorstellung.

Wie gut „Rigoletto“ am See funktioniert hat

Für Elisabeth Sobotka ist der überwältigende Eindruck, wie gut der erstmals in der Festspielgeschichte am See gespielte „Rigoletto“ in der Regie von Philipp Stölzl als Oper und nicht nur als Spektakel funktioniert hat. Wie es gelungen ist, aus diesem sehr intimen, teilweise radikalen und ganz emotionalen Stück alles umzusetzen, was die Seebühne braucht, aber auch alles, was die Oper braucht. Ihrer Meinung nach ist es damit auch gelungen, jene magischen Momente zu vermitteln, die eine Opernaufführung beim Zuseher auslösen kann. Ein besonderes Anliegen war ihr auch heuer, ganz abseits des Sees, ein Thema wie etwa die Figur des Don Quichotte genreübergreifend in vier Projekten auf verschiedene, qualitativ hoch Weise zu beleuchten, ebenso in zwei Projekten Schnitzlers Drama „Reigen“. Alle diese „roten Fäden“ (Renner), die Sobotka geschickt untereinander verbunden hat, sind bei Publikum und Presse hervorragend angekommen und weisen auch entsprechende Auslastungszahlen auf.
Ein Lieblingsprojekt der Intendantin, auf das sie heuer beim fünften Mal ganz besonders stolz war, ist das von ihr initiierte Opernstudio: „Ich war heuer selber verblüfft, wie eine so große, schwere Oper wie ‚Eugen Onegin‘ mit jungen Stimmen so gut gelingen kann. Ich behaupte: noch überzeugender, weil sie so jung sind.“ Das hat sie in dem steten Bemühen bestätigt, in all ihren Möglichkeiten für die Weiterentwicklung junger Sänger zu kämpfen, für das sie damit ein tolles Format gefunden hat. Einige Künstler aus dem Opernstudio haben auch bereits den Sprung auf die großen internationalen Opernbühnen geschafft. Es war für sie in diesem Sommer auch so etwas wie Ensemblegeist zu spüren, und das bestärkt sie in dem Bestreben, irgendwann unter der Bezeichnung „Bregenzer Ensemble“ eine Art Pool von jungen Künstlern einzurichten, die mit dieser Spielstätte verbunden sind.

„Rigoletto“ als Prototyp „Oper 4.0“

Präsident Metzler betont nochmals seine schon früher apostrophierten guten Eigenschaften, die für ihn bei den Festspielen wichtig und entscheidend sind: kaufmännische Tugend, technische Innovation, künstlerischer Spürsinn. Diese bewährte Strategie sollte für das immer größer werdende Kulturunternehmen auch in Zukunft richtungweisend sein und der damit eingeschlagene erfolgreiche Weg bereits als eine Tradition beibehalten werden, also Evolution statt Revolution. Für ihn könnte die Art, wie komplex und neuartig dieser „Rigoletto“ am See funktioniert hat, für die Oper der Zukunft zu einer Referenz, zu einer Art Prototyp für eine „Oper 4.0“ werden.
Für 2020 mit der 75. Festspielsaison wurden vom bekannt vorsichtigen Kaufmännischen Direktor für den Vorschaufolder zunächst 23 „Rigoletto“-Vorstellungen angesetzt, nach dem Ansturm heuer ist man mittlerweile bereits bei 27, also so viel wie heuer. Im Haus wird Arrigo Boitos 1924 uraufgeführte Oper „Nero“ gespielt, für das mit Spannung erwartete neue Werk „Wind“ von Alexander Moosbrugger im Rahmen des Opernateliers gibt es heuer im Herbst die so genannte „Abgabe“, bei der das Stück im Detail präsentiert wird. Bekannt ist bis jetzt, dass dafür von der Firma Rieger eine vollwertige Pfeifenorgel auf der Werkstattbühne aufgebaut werden soll. Für die jüngsten Festspiel-Fans beginnt die nächste Saison bereits Ende Mai mit einem „Rigoletto für Kinder“ analog zur erfolgreichen „Carmen im Zirkus“ im Vorjahr.   

Festspiel-Karten für 2020 gibt es ab 18. August 2019 um 21 Uhr im Internet und ab tags darauf im Ticket-Center telefonisch unter 05574 /4076