Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 01. Apr 2013 · Musik

Von der revolutionären Kraft der Musik – hundert Jahre alte, rückwärtsgewandte und zukunftsträchtige Musik

Das Jahr 1913 ist ein Schicksalsjahr der Kompositionsgeschichte, denn es gab Meinungsverschiedenheiten über musikalische Ausdrucksformen, die bis heute nachwirken. Genau am 31. März 1913 lieferten sich die Konzertbesucher im Wiener Konzerthaus Raufereien und nur wenige Wochen später zerrissen die Zuhörenden bei der Pariser Uraufführung von Igor Strawinskys Ballettkomposition „Le Sacre du Printemps“ einander die Kleider. Anhand zweier markanter Beispiele widmete sich das Symphonieorchester Vorarlberg (SOV) diesem spannenden Thema der Kultur- und Musikgeschichte mit einem moderierten Konzert im Angelika-Kauffmann-Saal. Die Gegenüberstellung von zwei Werken von Max Reger und Igor Strawinsky sowie die Werkeinführung von August Zirner überzeugten. Vor allem die mitreißende Spielart des SOV mit dem souverän agierenden Dirigenten Alexander Drcar begeisterte bei diesem außergewöhnlichen Konzert.

Die Werkauswahl mit Max Regers „Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin“, op. 128 und Strawinskys „Sacre“ lenkte den Blick auf zwei kompositorische Standpunkte, die zwar zeitgleich im Jahr 1913 dargelegt wurden, in der musikalischen Ausgestaltung jedoch Welten auseinander liegen. Die Interpretation von Regers Tondichtungen nach Arnold Böcklin, op. 128 erklang zwar opulent in der Klanggebung, wirkte jedoch blass in der kompositorischen Aussage. Nicht umsonst ist dieses Werk bis auf den dritten Teil „Die Toteninsel“ vergessen, da halfen auch die hingebungsvolle Musizierart und das eindringlich gespielte Violinsolo von Hans-Peter Hofmann nicht viel.

Spannungsvolle Erwartungshaltung


Der wenig anregende erste Konzertteil steigerte die Erwartungshaltung, in welcher Art das SOV unter der Leitung von Alexander Drcar eines der berühmtesten Werke der Musikgeschichte und das höchst anspruchsvolle „Le Sacre du Printemps“ interpretieren wird. Die Spannung war groß, die Konzentration auf die vertrackten Tonfloskeln und vielgestaltigen Rhythmen ebenso. Vom ersten bis zum letzen Ton zogen die MusikerInnen und der versierte Dirigent Alexander Drcar das Publikum in ihren Bann und die rituelle Handlung des „Frühlingsopfers“ sowie dessen archaische Ausstrahlungskraft kamen voll zur Geltung.

Die besondere Qualität dieser Interpretation lag darin, dass die überaus vielschichtigen rhythmischen Wechsel und Überlagerungen sowie die komplexen Motivformeln mit Stauchungen, Dehnungen, Spiegelungen und Verzahnungen wie selbstverständlich ausformuliert und modelliert erklangen. Zu einem wesentlichen Teil war dies dem souveränen Dirigenten Alexander Drcar zu verdanken. Er und die MusikerInnen waren sich ihrer Sache sicher, so fügten sich die einzelnen Teile zu einem musikalischen Ganzen mit unmittelbar wahrnehmbarer Wirkung.

Musik im Raum nicht nur hören, sondern spüren


Der Tuttiklang der gut neunzig OrchestermusikerInnen füllte den Angelika-Kauffmann-Saal voll aus. So entwickelten die Reibungen, Schwebungen und überlagerten Schwingungen der Töne im Raum auch körperlich spürbare Energien. Es war ein selten so direkt erfahrbares Ereignis, mitten drinnen in diesen Klängen zu sitzen.

Musikvermittlung


Erzähltexte von Aurelia Weiser, vorgetragen von August Zirner, gewährten dem Publikum Einblicke in die kompositorischen Denkwelten von Reger und Strawinsky und bereicherte das Hörerlebnis. Die sympathische und humorvolle Art des Schauspielers lockerten die Atmosphäre und waren ein gelungener Ansatz zur Musikvermittlung.