Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Karlheinz Pichler · 01. Apr 2013 · Ausstellung

Voll aus dem Leeren schöpfen

Im Vaduzer Kunstraum Engländerbau dominiert momentan die Leere. Unter dem Titel „History in the Making“ deutet das Künstlerduo „Tat Ort“ (Alexandra Berlinger und Wolfgang Fiel) anhand von 47 Mikrofonständern und daran montierten Passstücken ein Raumvolumen an, das benötigt würde, um sämtliche 14 Installationen und Konstruktionen aufeinanderzustapeln, die in den Jahren von 2006 bis 2011 entstanden sind.

Der Kunstraum Engländerbau mit seinen 300 Quadratmetern Grundfläche ist ein riesiger White Cube. Fußboden, Wände, Decke – alles ist weiß. Beim Herumflanieren darin befällt den Betrachter mitunter das Gefühl, wie es bei einem Schifahrer bei Nebel evident wird. Diesem diffusen Weißraum sind die 47 Mikrofonständer von „History in the Making“ eingeschrieben wie eine zarte Volumengrafik.

„Tat Ort“ gibt es seit mittlerweile 10 Jahren. „Tat Ort“ beschäftigt sich nicht nur mit Bildender Kunst, sondern auch mit Architektur und urbanen Entwicklungen. Berlinger und Fiel wollen ihre für Vaduz entwickelte Rauminstallation als „retroaktives Manifest ihrer künstlerischen Praxis“ verstehen.

Schaffen für den Augenblick


Die Interventionen, Apparaturen und Konstruktionen der beiden Kunstschaffenden sind zumeist nur von temporärer Präsenz, da „Tat Ort“ stets orts- und zeitspezifisch arbeiten. Dafür sind Berlinger und Fiel gewissenhafte Dokumentierer. Sämtliche Installationen, Objekte und Konstruktionen wurden penibelst digital aufgezeichnet und archiviert. Sie sind auch jederzeit online über die Website von „Tat Ort“ abrufbar (www.tat-ort.net). Selbst von Holzlatten, Rädern oder Schrauben gibt es detailgenaue CAD-Zeichnungen. Für „History in the Making“ hat das Duo sämtliches (virtuelles) Material der 14 zwischen 2006 und 2011 bestrittenen Installationen digital zerlegt, geschichtet und gestapelt. Darunter „Inwändig“ für das Institute for Cultural Policy in Hamburg (2006), „A Forbidden Empire“ für die Fondacion Bilbao Arte (2007) oder „Die Wiege der Demokratie“ in der Galerie Hollenstein und dem Stickereizentrum Lustenau (2011). Aus dieser digitalen Anordnung ist via 3D-Zeichnung eine neue virtuelle Großform entstanden, die drei Meter hoch, fünf Meter breit und acht Meter lang ist.

Passstücke als Platzhalter


Von dieser virtuellen Großplastik ist im Engländerbau allerdings nichts zu sehen. Visuell erfahrbar sind nur die „Platzhalter“; also die Mikrofonständer samt den daran befestigten geometrischen Passstücken in Form von dünnen Rohrbögen, Eckeisen und anderen Metallstücken. Diese Teile, die in ihrem markanten Rosa in einem eigentümlichen Farbkontrast zum Weiß der Mikrofonständer stehen, bezeichnen gleichsam die Außenbegrenzung und die besonderen Auskragungen der virtuellen Großform. Sie umschreiben einen Erinnerungsraum für einen mehrjährigen Arbeitsprozess. Die Form selbst bleibt nur als Phantom im Raum und in der Vorstellung der Betrachterschaft erahnbar.

Physisch greifbar hingegen ist für den Moment eine im Zeitschriftenformat erstellte Dokumentation zum Projekt. Ein halbes Palett davon liegt für die Besucher zur Entnahme bereit. Aber mit jeder Entnahme reduziert sich dieser Stapel, sodass auch hier letztlich nur „Leere" übrig bleibt.

„History in the making“
Tat Ort – Alexandra Berlinger und Wolfgang Fiel

Kunstraum Engländerbau
Bis 26. Mai 2013
Tägl. 13-17, Di bis 20 Uhr
www.kunstraum.li

9.4., 18 Uhr: Rundgang mit den Künstlern Alexandra Berlinger und Wolfgang Fiel, Präsentation der Kurzfilme „Wohnen in der Raumstadt“ (2008) und „Standbild“ (2010)
7.5., 18 Uhr: Podiumsdiskussion mit Hubert Matt, Hugo Dworzak, Verena Konrad und Tat Ort zum Thema „The thing that wasn’t there: Ästhetik des Entzugs oder die Risiken der Abstraktion“
26.5., 13-17 Uhr: Finissage (15 Uhr: Vortrag von Wolfgang Fiel „Don’t look back in anger“)