Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Bader · 21. Okt 2012 · Musik

The Fonda/Stevens Group: Von der Polarität von Struktur und struktureller Offenheit. Und ihrer Synthese.

The Fonda/Stevens Group überzeugte am Samstagabend im Rahmen der Jazz&-Reihe im mäßig besuchten Dornbirner Spielboden.

Peter Füßl sagte in seinen einführenden Worten, es sei eine absolute Ehre für den Spielboden, dass diese aus renommierten Jazz-Musikern bestehende Formation die Live-CD zu ihrem 20-jährigen Band-Jubiläum an diesem Samstagabend im Spielboden aufnehmen wolle. Denn die vier US-Amerikaner seien bei ihrem letzten Auftritt vor ca. drei Jahren von der Akustik hier so begeistert gewesen, dass sie diesen Plan gefasst hätten.

Zwei äußerst spannende Sets

Schon mit dem Opener „Roundtrip“ wurde das moderne Konzept dieses Quartetts eindrucksvoll vorgestellt, denn diese einfallsreiche Komposition entwickelte sich zwischen den beiden kontrastreichen Polen „Struktur" und „strukturelle Offenheit". Dieser recht fortschrittliche Ansatz spiegelte auch die zwei unterschiedlichen Herangehensweisen der Komponisten Michael Jefry Stevens (Piano) und Joe Fonda (Kontrabass) wider. Während Stevens' Spiel am Seiler-Flügel mehr Harmonie-basierend war, dies unter Verwendung von sehr individuellen Piano-Voicings, die – oft vollgriffig und auf der Tastatur weite Distanzen aufspannend – fern von Jazz-Piano-Schulbuch-Standard-Voicings angesiedelt waren, bewegte sich Fonda in Sphären, die dem Downtown-New-York-Style zugeordnet werden konnten. Stichwort: Needle Factory. Stevens' sehr persönlicher Piano-Stil ließ aufhorchen. Abgegriffene Klischees wurden weitgehend vermieden. Auch wenn er mit Clustern und Tremoli-Akkorden arbeitete; ein sehr rhythmischer Approach war zu erkennen in seinem sehr perkussiven Spiel. (Virtuose) Läufe sparte er aus. Technik verkam nicht zum Selbstzweck. Stevens brachte durch seine interessanten Texturen Schönheit in diese Komposition ein, scheute aber an manchen Stellen auch „Clashes“ nicht; dies durch gewollte Störungen in seinem ästhetischen Spiel. Störungen, die in Richtung Atonalität wiesen. Stevens' Piano-Solo war überlegt, schön und stellte eine Reihe von Ton-Repetitionen vor. Fonda spielte in time, dramatisch und ausdrucksstark; unter anderem waren schnelle Figuren aus kleinen Notenwerten zu hören. Ausdrucksstark waren auch seine Mimik und Gestik. Harvey Sorgen am Schlagzeug fügte frei-rhythmisch Farben hinzu.

Herb Robertson an der Pocket Trumpet stellte das Thema vor und brillierte solistisch. Interessant an diesem Abend war seine Verwendung von unterschiedlichen Dämpfern, um verschiedene Mute-Sounds zu erzeugen. Es kam im Laufe des Abends sogar ein kleines Megaphon zum Einsatz, um den Trompetenton zu verfremden.

Modernität versus Konvention. Dynamik.

Die erwähnte Offenheit zeigte sich auch in den Intros der Stücke, die mit dem Prinzip der Open Time arbeiteten.

Die vier Musiker bewiesen aber auch bei konventionellen Nummern, dass sie absolute Könner ihres Fachs sind. Die wunderschöne Ballade „Summer´s Morning“ berührte sofort durch das lyrische Klavier-Intro. Auch in seinem Solo stellte Stevens Geschmack unter Beweis und führte eine kultivierte pianistische Anschlagskunst vor. Mit dieser Komposition wurde klar: Diese vier Musiker können nicht nur Druck erzeugen, sie sind auch Meister der leisen Töne. – Polarität, Kontraste also auch durch die vorgeführte Dynamik.

Konventionell mutete auch die Nummer „South Song“ an, das heißt, zu Beginn, denn sie wartete mit einem bluesigen Piano-Intro auf. Das Klischee wurde aber spätestens von Robertson aufgebrochen, als er sein Quasi-Blues-Thema auf der Trompete parodistisch überzog.

Interaktion

Auf der Bühne fand eine Interaktion statt, wie sie nur möglich ist, wenn begabte Musiker jahrelang miteinander musikalisch kommunizieren. Die 20 Jahre ihres gemeinsamen Schaffens haben diese Band ganz offensichtlich zu einer musikalischen Einheit werden lassen.

Viel Applaus und eine improvisierte, kurze Zugabe.