Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 24. Jul 2018 · Musik

Von der Liebe und der Sehnsucht nach Liebe – anregender Lieder- und Kammermusikabend im Rittersaal der Schattenburg

Die Musikfreunde Feldkirch sind einer der wenigen Kulturveranstalter, die das Musikschaffen aus Feldkirch immer wieder ins Bewusstsein heben. Für die Schloss- und Palaiskonzerte stellte der Pianist und Komponist Hans-Udo Kreuels ein ansprechendes Programm zusammen. Lieder und Klavierwerke von Karl Bleyle und Ferdinand Andergassen zeigten die Licht- und Schattenseiten der Liebe auf und machten ihre hervorragende Kunst der Liedkomposition erlebbar. Darüber hinaus bereicherte die Uraufführung der „Rhapsodie auf die Glücklosigkeit“ von Hans-Udo Kreuels den stimmigen Konzertabend.

Das gut durchdachte Programm beinhaltete Lieder aus den Liederzyklen Opus 3, Opus 43 und Opus 26 von Karl Bleyle. Die Werke entfaltete der oberösterreichische Tenor Christian Havel mit seiner ausgewogenen und warmen Stimme. Er sang bewundernswert textdeutlich und flexibel in der Tongebung, so dass die Atmosphäre der zugrundeliegenden Texte gut nachvollziehbar zur Geltung kam. Eine besondere Spannkraft entwickelte das Lied „Rosen“, in dem das Timbre des Tenors aufhorchen ließ. Große Phrasierungsbögen zeichneten die schön ausformulierte Frage „Wie lange wird es währen?“ aus. Die „Verschwiegene Nacht“ wirkte orchestral gedacht. Besonders in den plastisch dargestellten Klavierparts kam die große Palette harmonischer Farben zum Ausdruck, mit denen Karl Bleyle in den 1930-er Jahren diese Lieder komponierte. Hans-Udo Kreuels interpretierte die Klavierparts mit viel Liebe zum Details, so kamen die textdeutenden Themen und Motive gut zur Geltung.

Einen ganz anderen Charakter haben die Kompositionen von Ferdinand Andergassen. Die markante Tonsprache der Lieder „November“ sowie „Nachtfalter“ setzten Christian Havel und Hans-Udo Kreuels sehr treffend in Szene. Damit verliehen sie den Werken ein aussagekräftiges Profil und hinterließen eine eindrückliche Wirkung.

Repräsentative Liedauswahl

Die Sopranistin Brigitte Guttenbrunner stammt ebenfalls aus Oberösterreich. Sie verlieh mit ihrer hellen Sopranstimme den Liedern „Venedig“, „Dem unbekannten Gott“, „Nachts“ und „Sang des Schiffermädels“ von Bleyle sowie den Liedern „Liebe“, „Herbstabend am Bodensee“ und „Frühling“ von Ferdinand Andergassen eine lyrische Note. Mit ihrem Sprachfluss sowie einer dynamischen Zurückhaltung in hohen Lagen unterstrich die Sängerin die Intensität der musikalischen Aussage.

In den Nietzsche-Vertonungen von Karl Bleyle ließ der besondere Stellenwert des Klavierparts aufhorchen. Vor allem die gewichtigen Bassgänge und das harmonische Zwielicht in der Ballade „Der Unbekannte Gott“ hinterließen eine eindringliche Wirkung. Abgerundet wurde das abwechslungsreiche Programm mit den beiden Bleyle-Duetten „Ich und Du“ sowie „Liebe“. Darin wurde die Liebe von ihrer schönsten Seite gefeiert.

Die zehn Stücke aus Karl Bleyles „Orientalische Tonbilder für Klavier“, op. 18 aus dem Jahr 1911 bot Hans-Udo Kreuels mit viel Empathie dar und kristallisierte die Wesensmerkmale jeder Miniatur hervorragend heraus.

„Tierschützerkomposition“ und stringente Uraufführung

„Vorarl-Bär“ komponierte Hans-Udo Kreuels im Jahr 2006, zu jener Zeit, als der Braunbär Bruno Schlagzeilen machte und der sinnlose Abschuss des Bären viele Menschen empörte. In drei anschaulichen musikalischen Episoden stellten Karin-Regina Florey (Violine) und Penelope Gunter-Thalhammer (Violoncello) sowie der Komponist am Klavier den Bären, seine Abenteuer und sein Ende dar. Besondere Aufmerksamkeit lenkten die geschickt in den musikalischen Verlauf eingebauten Raschel- und Klopfgeräusche auf sich.

Mit dem Titel „Rhapsodie auf die Glücklosigkeit“ nach fernöstlichen Weisheiten (op. 83) gab Hans-Udo Kreuels bereits die Denkrichtung für sein neuestes Werk vor. Die Quintettbesetzung für Sopran, Tenor, Violine, Violoncello und Klavier sowie die zugrunde gelegten Texte ergaben eine stringente Komposition mit viel Aussagegehalt. Bereits die Anfangspassage verströmte eine große Spannung. Abrupte Wechsel zwischen vorwärts treibenden Passagen, insistierenden Tonrepetitionen und reflektierenden ruhigeren Klangfeldern, verbunden mit prägnanten Motivketten erzeugten einen expressiven musikalischen Charakter. Mit herzlichem Applaus dankte das Publikum.