Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Füssl · 23. Jul 2018 · CD-Tipp

Ryley Walker: Deafman Glance

Der in Chicago lebende 28-jährige Singer-Songwriter und Gitarrist Ryley Walker festigt mit seinem vierten Album „Deafman Glance“ seinen Ruf als exzellenter Außenseiter, dessen musikalische Sozialisation irgendwo im Spannungsfeld zwischen Tim Buckley, Nick Drake, English Folk-Revival, Prog-Rock, Post-Rock, Anti-Folk, Psychedelic und Jazz liegt. Unaufgeregt zieht er verblüffende musikalische Ideen aus dem Zylinder wie der Zauberer die Kaninchen.

Was nach flötenumgarntem, harmonischem 70-er Jahre Folk klingt, kann unversehens in dissonanten Noise-Rock umschlagen, quengelndes Synthesizer-Gewabber kann in eine wunderschöne Fingerpicking-Passage münden, und jazzige Harmonie- und Tempowechsel stehen ohnehin permanent an der Tagesordnung. Der Hang zum Experiment und der Drang zu klaren Strukturen befinden sich in Balance. Nichts wirkt aufgesetzt oder bemüht, die neun Songs sind komplex und trotz sperriger Elemente letztlich doch eingängig – zumindest für Hörer, die aus einer aufgeschlossenen Jazz- oder Rock-Ecke kommen. Folk-Traditionalisten könnten sich möglicherweise an den virtuosen gitarristischen Highlights erfreuen, die Ryley Walker gemeinsam mit Bill MacKay und Brian Sulpizio fabriziert, den Rest werden sie aber scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Walkers Gesang ist irgendwo zwischen Melancholie und Apathie angesiedelt, die Texte schwanken zwischen Düsternis, Verworrenheit und Selbstironie. „It’s a weird record. I don’t even know if I like it“, urteilt Walker über sein bizarres Meisterwerk und meint im gleichen Atemzug, er halte ohnehin nichts davon, sich permanent selber auf die Schulter zu klopfen. Na, wenn er es nicht tut, dann tun wir es!

(Dead Oceans)