Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 17. Nov 2017 · Musik

Von anderswo nach Bludenz und von dort in die Welt – die „Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik“ wurden mit ausdrucksstarken Kompositionen eröffnet

Die diesjährigen „Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik“ erlebten einen starken Auftakt mit zwei aussagekräftigen Uraufführungen von Enno Poppe und Klaus Lang sowie Werken von Ann Cleare und Elena Rykova. Die vier Herren des renommierten Ensembles „Nikel“ musizierten mit einer bewundernswerten Präzision und Konzentration. Erfreulich viele musikbegeisterte Menschen fanden sich in der Remise ein, um Musik auf der Höhe unserer Zeit zu hören. So wurden die Komponisten und die Musiker in guter Atmosphäre gefeiert.

Die künstlerische Leiterin der „btzm“, Clara Iannotta, setzte zum Auftakt der 29. Saison des Festivals Werkpräsentationen von zwei Komponisten aufs Programm, die derzeit in der internationalen Szene der zeitgenössischen Musik ganz vorne mitmischen. Der deutsche Komponist und Dirigent Enno Poppo hat mit seinem im Auftrag der btzm entstandenen Werk „Fleisch“ für Saxophon, E-Gitarre, Synthesizer und Schlagzeug ein korpulentes Musikstück geschaffen, das in mehrerlei Hinsicht aufhorchen ließ. Auf der einen Seite erinnerte die Besetzung an eine Jazz- bzw. Funk-Rockformation, auf der anderen Seite lehnte Enno Poppe die kompositorische Anlage und Themengestaltung an die traditionelle, klassische Musik an. In diesem Spannungsfeld entfalteten Brian Archinal, Yaron Deutsch, Antoine Francoise und Patrick Stadler das dreisätzige Werk mit den Formteilen schnell-langsam-schnell. Funkig wurden zu Beginn pfeilgerade Klangereignisse in den Raum gestellt, aus diesem impulsiven Tonvorrat heraus kristallisierten sich rhythmisch- melodische Floskeln. Lyrisch war der langsame Mittelteil angelegt, in dem mit mikrotonalen Tonlinien des Saxophons und der E-Gitarre gespielt wurde. Der Finalsatz bestach durch die feingliedrigen Themengestalten, die vom Keyboard ausgingen und einen Gegenpol zu den „verzerrten“, deftig nach oben schraubenden Sounds bildeten.

Hörbar gemachte Zeit

Einen ebenfalls spannenden Standpunkt nahm der österreichische Komponist Klaus Lang mit seinem Werk „Bright darkness“ ein, das er im Auftrag des Ensemble „Nikel“ komponiert hat. Ganz der Maxime des Komponisten folgend, dass Musik hörbar gemacht Zeit darstelle, entfaltete sich der musikalische Fluss als ätherisches Kontinuum. Hervorragend aufeinander abgestimmt und im Gesamtklang feinstmöglich austariert, spielten die Musiker am Saxophon, an der E-Gitarre, an der Marimba und an den Keyboards in einem durchfluteten Pianissimo. Hohe, sinusartige Töne fungierten abschnittweise als melodische Linie, die über dem filigran verwobenen Klanggrund schwebte. Auch die Proportion des Werkes überzeugte, denn immer dann, wenn sich die Musik ins Leere zu verlieren drohte, änderte sich die Textur des Klanggebildetes, beispielsweise mit Beschleunigungen oder rhythmisch gesetzten Klappengeräuschen.

Die musikalischen Qualitäten der Geräusche

Die Aufmerksamkeit lenkte auch das Werk „The square of yellow light that is your window“ von Ann Clevre auf sich. Sie spielte mit geräuschhaften und ungewöhnlich erzeugten Sounds, die als musikalische Themen verarbeitet und zueinander in Beziehung gesetzt wurden. Das Wechselspiel zwischen dem eher solistisch agierenden Saxophon und den anderen Ensemblemitgliedern sowie die Verkehrung dieser Rollenverteilung ergaben eine unterhaltsame Komposition. Mit den Möglichkeiten eines präparierten Klaviers spielten sich die Musiker in „101 % mind uploading“ von Elena Rykova. Hier korrespondierten die Ereigniseinheiten mitteilsam miteinander. Allerdings wirkte der Einsatz von Tam-Tams gar zu offentlichsich und verlieh der Musik einen esoterisch-plakativen Touch.

Tipp
Die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik dauern noch bis Sonntag, den 19.11.2017.
Fr: Quartetto Maurice; Sa: Distractfold Ensemble; So: Séverine Ballon, (17 Uhr)
Konzertwiedergabe, Montag, 11. Dezember, Ö1, 23 Uhr.