Volksmusik hat den Groove in sich – Evelyn Fink setzte im Rahmen des „Carte blanche“-Konzertes viele Zeichen und erntete tosenden Applaus
Im ersten Set zeigten die jodelnde, singende und geigende Evelyn Fink und Helmut Binder an einer klangvollen Truhenorgel von Christoph Enzenhofer einige Facetten des Tanzes quer durch Europa auf. „Barockig – rockig“ kristallisierten die gut aufeinander abgestimmten Musiker die Parallelen zwischen der barocken Themengestaltung, des Generalbassspieles und der volksmusikalischen Melodienbildungen auf. Unterschiedliche musikalische Schlaglichter illustrierten, wie vielgestaltig die Tanzmusik durch die Jahrhunderte und die Kulturen weitergereicht worden ist, ausgehend vom „Küahdreckler“ aus der Sammlung von Josef Martin Strolz über Appenzeller Tänze bis hin zu einer Quadrille aus Dänemark.
Authentisch
Die kurzen und informativen Moderationen von Evelyn Fink ergänzten die einzelnen Nummern und gaben Einblicke in ihr breites Wissensspektrum. Es gibt wenige MusikerInnen in Vorarlberg, denen das lebendige und authentische Musizieren so in Fleisch und Blut übergegangen ist wie Evelyn Fink. Mit der Volksmusik aufgewachsen, ist für sie das Musizieren und Singen der selbstverständliche Ausdruck ihres Ichs. Diese natürliche Ausstrahlung spürten die KonzertbesucherInnen, der Funke zum Publikum sprang gleich zu Beginn über.
Gute MusikpartnerInnen
Neben Irma-Maria Troy an der Violine rief der Mautrommelvirtuose Albin Paulus Bewunderung hervor. Er musizierte mit einem bewundernswert breiten Tonspektrum und perkussiver Raffinesse. Gemeinsam mit Evelyn Fink und Helmut Binder spielte er unter anderem den „Tyroller“ Nr. 3“ aus der Handschrift aus Wippstetten in Bayern aus dem Jahr 1761, einer der Höhepunkt des Abends.
Spiritus Rector Gerold Amann
Mit dem Komponisten Gerold Amann verbindet Evelyn Fink eine langjährige Freundschaft. Viele Impulse und Wegmarken auf ihrem musikalischen Werdegang verdankt sie ihm. Beispielsweise erfuhr sie durch Gerold Amann viel über die innermusikalischen Zusammenhänge zwischen der Natur und der Musik. Die Uraufführung der „Birkhahnbalz nach der Natur“ von Gerold Amann führte Eveln Fink gemeinsam mit ihrer Schwester Isabella auf. Höchst bemerkenswert zeigten die beiden Musikerinnen auf, wie sich Tierlaute und Bewegungsmuster zu einem kommunikativen musikalischen Ganzen zusammenfügen. Das Publikum applaudierte begeistert.
In gelöster Stimmung wurde anschließend eine „Innensicht“ der Vogelhochzeit präsentiert. Stellvertretend für viele Volkslieder, die eine erotische Aussagekraft besaßen, bevor sie von „Pestalozzi pädagogisiert worden sind“, wie Evelyn Fink zu berichten wusste.
„Stemmeisen und Zündschnur“
An den bedeutenden Aspekt der Gesellschaftskritik innerhalb der Volksmusik knüpfte Evelyn Fink im zweiten Teil an. Seit zwanzig Jahren musiziert sie in der Band von „Stemmeisen und Zündschnur“. Ulli Troy hat unter anderem eine ‚Fortsetzung’ des berühmten Liedes „Wie gen bean i a Wäldare“ geschrieben, die es in sich hat. „I beo zwar ou“ sangen Evelyn, Isabella und Wilma Fink – die fast schon legendäre „Housemusik Fink“ - und stellten klar, dass hinter der schönen Fassade mancher Ehe wenig Idylle steckt. Auch kritischen Blick auf die Tourismusentwicklung warfen die drei Damen mit Ulrich Gabriels Lied „Üsa Dorf“. Dafür hatten sie ein hervorragendes Arrangement verfasst. Eine beklemmend wirkende Zweitongruppe verstärkte den Aussagegehalt der Strophen und entlud sich frei nach Gebhard Wölfle im Refrain „Mir zerstörend das Old und betonierend das Nü und bliebend üs sealb und dem Umsatz trü.“
Volksmusik ist Weltmusik
Dass die Musik Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammen schweißt und das eigene Spektrum erweitert, wissen viele Musikbegeisterte. Die ZuwanderInnen aus allen Ländern der Welt sind für die Vorarlberger Gesellschaft eine enorme Bereicherung. Dieser Überzeugung gab Evelyn Fink einen sympathischen Ausdruck, indem sie Felipe Jauregui (Flöte), Andreas Paragioudakis (Akkordeon, Tsouras), Carlos Peralta (Gitarre, Quatro) Sergio Wagner (E-Bass, Cajon) zum gemeinsamen Musizieren eingeladen hatte. Manche Konzertbesucher staunten nicht wenig, als sie das berühmte "Wäldarbähnle" im spanischen Kinderlied „Un Elefante“ wieder entdeckten.
Die Freude am gemeinsamen Tun war allen ins Gesicht geschrieben und spiegelte sich in der lebendigen Spielart wider, die viele an diesem Abend glücklich gemacht hat. Nachhaltig wurde erlebbar, dass sich eine mitunter verstaubt geglaubte Volksmusik zu einer mitreißenden, kulturdurchlässigen Weltmusik mausern kann.