Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Ionian · 11. Okt 2021 · Musik

Verspielte Experimentierräume - Rosi Spezial live im Vogelfreiraum Rankweil

Vergangenen Samstag kam es zu einer Fusion zweier Experimentierräume. Der erste der beiden ist tatsächlich ein Ort, nämlich der Vogelfreiraum in Rankweil. Hier wird Leerstand mitten im Dorfzentrum bespielt und Raum geschaffen für Begegnung und kulturelle Vielfalt. Der zweite Experimentierraum war ein künstlerischer. Denn ein Konzert von Rosi Spezial ist was Spezielles, ein Gesamtkunstwerk, das experimentelle Schau-, Fühl- und Klangräume erschafft.

Kunst kann man so verstehen, als dass sie das ist, was sich abseits von Mainstream und Industrie entwickelt. In diesem Zugang entsteht sie nicht auf gewohnten Spaziergängen über ausgetretene Pfade, sondern auf dem wilden Ritt entlang progressiver Fronten. Sowas oder etwas ähnliches erwartet man sich vielleicht auch von einem Rosi Spezial Konzert, wenn man ihre Musik kennt. Die Musiker von Rosi Spezial waren extra für das Konzert angereist. Es sind zwar hauptsächlich Vorarlberger, aber sie leben derzeit alle in Wien. Das letzte Konzert war im September beim Freakwave Festival, ein nächstes Konzert ist derzeit nicht geplant. Insofern war es eine rare Gelegenheit, um die Band live zu hören. Und das dann auch noch in einem so atmosphärischen und intimen Rahmen wie dem Vogelfreiraum.

Raum für schräge Vögel

Ungestutzt seit 2019, eröffnet Anfang 2020, unterbrochen von den Lockdowns, schafft der Vogelfreiraum in Rankweil Begegnung für Jede*vogel, Kulturelles von Musik bis Poetry, Workshops und Cafébetrieb. Der Raum kann tagsüber Familien- und Kindertrubel beheimaten und am Abend zum Konzertzimmer werden. Zimmer deshalb, weil durch die liebevolle Einrichtung mit Teppichen, Couches und Lichterketten Wohnzimmercharakter geschaffen wird. Der Vogelfreiraum fühlt sich ein wenig an wie zuhause, ist familiär und immer noch sehr cool. Hier geschieht durch eine Gruppe engagierter Menschen die Belebung von Leerstand für ein Dorf, das sich manchmal ganz schön städtisch anfühle. Schräge Vögel brauchen Freiräume, sagten die Initiatoren zu Beginn. Und schräge Vögel ist eine passende Beschreibung für Rosi Spezial. Diesmal hat die Eigenartigkeit bereits mit dem Termin begonnen. Es gab wohl ein Missverständnis über das Datum und so wurde fälschlich der Freitag als Konzerttermin kommuniziert und erst kurzfristig alles auf Samstag geschoben. Treu nach dem neuen Mantra: Man muss flexibel sein, in diesen Zeiten.

Spaß am Spiel

Flexibel musste auch das Publikum sein, denn Rosi Spezial sprang gern zwischen Hörgewohnheiten und Störgewohnheiten hin und her. Man wurde in unbekannten Gefilden ins kalte Wasser getaucht. Das Konzert begann schon mit Irritationen. Die Musiker trugen alle weiße Overalls mit bunten Farbflecken in Rosa und Blau. Auf der Bühne ein Stehtisch mit Hochprozentigem, dahinter Mo der Barkeeper, wie immer gut gekleidet. Die Band begann den Auftritt rund um diese Bar on Stage mit einem gemeinsamen Kurzen. Dann kamen Testgeräusche aus den Lautsprechern und Rauch aus der Nebelmaschine. Mit der Zeit setzten die Instrumente ein. Schon der Konzertstart war ein fließender Übergang in ein Experiment mit Klangstücken.

Kompetenz auf Abwegen

In dieser Gangart ging es weiter. Songs sind ineinander übergeflossen, emotionale Improvisationen führten bis in Atonalität und Disharmonie, jäh steckte man wieder in übertrieben stupiden Einfachheiten. Frage-Antwort-Chöre wurden ins Paradoxe geführt. Zwischendurch dann immer wieder Momente, die sich wie Songs anfühlten. Das Publikum erlebte kritische Texte mit Witz von eigenartigen Kompositionen ummantelt. Rosi Spezial irritierten, verstörten und verwunderten. Sie schafften skurrile Humoreske. Verspielt versteckten sie kluge und kritische Gedanken in abstrakter, scheinbarer Blödelei. Den Kindern vor Ort blieb anfangs der Mund offen stehen. Irgendwann tanzten sie ekstatisch. Den Erwachsenen wurden ein paar Synapsen neu verdrahtet. Das Konzert war zum Lachen und zum Kopfschütteln, ein clowneskes Spektakel und ein Hirngekitzel durch die Ohren.