Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Silvia Thurner · 05. Jul 2021 · Musik

Umwandeln, verwandeln und sich wandeln – Eine musikalische Meditation mitsamt einer Werkpräsentation von Filippa Gojo hinterließ einen großen Eindruck

Zum Abschluss der Pforte-Spaziergänge erlebten die Zuhörenden in der bis auf den letzten Platz besetzten Pfarrkirche St. Arbogast ein eindringliches Konzert, das noch lange nachklingen wird. Seit über einem Jahr war kein Chorklang zu hören, umso stärker und erfreulicher wirkten die Darbietungen des bestens disponierten Kammerchors Vocale Neuburg unter der Leitung von Oskar Egle. Im Mittelpunkt stand die Jazzsängerin Filippa Gojo, die im Auftrag der „Musik in der Pforte“ das vierteilige Werk „Die (einfache) Liebe“ für Stimme und Streichquartett komponiert hat. Dabei wurde der Blick auch auf menschliche Katastrophen gelenkt, die sich dringendst wandeln sollten.

Die Sängerinnen und Sänger der Vocale Neuburg und Oskar Egle traten in alter Frische auf und ließen sogleich mit dem schwedischen Lied „Trilo“ in einem Arrangement von Bengt Ollén aufhorchen. Kraftvoll setzte Stefanie Koch den Song in den Raum der Pfarrkirche, während die Chorsängerinnen mit Zisch-, Summlauten und einem obertonreichen Stimmgewebe die Natur und das Meeresrauschen implizierten. Mit transparenter Stimmführung formten die Sängerinnen und Sänger das bekannte Lied „Es führt über den Main“ und brachten dabei unter anderem die Brückenform der Melodie anschaulich zur Geltung. Bewundernswert intonationssicher führte der Kammerchor den musikalischen Fluss im schwedischen Lied „Kung liljekonvalije“. Dazwischen spielten Katia Blejer und Leopold Schwinghammer (Violine), Klaus Christa (Viola) und Mar Gimferrer (Violoncello) zwei für Streichquartett bearbeitete Choralvorspiele von J. S. Bach als musikalische Reflexionsfelder.

Ein starkes Stück und große Bühnenpräsenz

Eigentlich hätte Filippa Gojos Komposition „Die (einfache) Liebe“ für Stimme und Streichquartett im Rahmen der Abonnementreihe „Musik in der Pforte“ erstmals präsentiert werden sollen. Corona machte eine Uraufführung vor Publikum unmöglich, aber über eine ORF-Produktion und einen Stream wurde das Werk bereits veröffentlicht.
Vor Publikum und noch dazu in der schönen Atmosphäre der Pfarrkirche in St. Arbogast bildete die vierteilige Komposition den Kern der musikalischen Meditation zum Themenkreis des „Wandelns“. Ein langer Prolog, getragen vom Streichquartett, Shrutibox und der Stimme von Filippa Gojo bündelte die Gedanken bis schließlich der Ton von innen her durch Schwankungen der Tonhöhen und Lautstärken belebt wurde. Gleichzeitig wurde damit das Ein- und Ausatmen impliziert. Textdeutlich erzählend, mit filigran brüchigen und rhythmisiert belebten Passagen sang Filippa Gojo mit ihrer warmen Stimme.
Eine große Bühnenpräsenz ging von der Sängerin aus, die im zweiten Abschnitt, „Kinderlied“, wunderbar unterhaltsam abrupte Stimmungsschwankungen „ja, doch net, net“ in der Art eines Scatgesangs aufzeigte. In einem guten Einvernehmen zwischen dem Streichquartett- und dem Vokalpart und mit viel Emotion erklang im dritten Teil die „Beschreibung eines Gedichtes“ von Ernst Jandl. Dann nahm das vielsagende Werk eine markante Wendung. Filippa Gojo verlieh ihrem Sologesang einen arabischen Touch, gurgelnde und brodelnde Töne weckten die Assoziation von Wasser. Verbunden mit dem Titel des vierten Abschnitts, „Nächsten- und Fernstenliebe“, wurde klar, dass Filippa Gojo auf eindrückliche Weise auf die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer anspielte.
Doch die Komposition endete nicht verzweifelt oder dramatisch, sondern mit einem Hymnus auf das Leben. An diese Grundstimmung knüpften auch das Traditional, „I Love My Love“ und „Enya“ (mit einem Solo von Andrea Summer) an, bevor mit dem Gloria aus Schuberts Deutscher Messe (D872) und dem African Traditional „Thula Sizwe“ ein markanter Schlusspunkt gesetzt wurde.