„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Fritz Jurmann · 08. Jul 2021 · Musik

„Rigolettos“ Rückkehr auf die Seebühne: „So fühlt sich Glück an!“

Auf diese Weise ließ der bekannte Münchner Filmregisseur Philipp Stölzl beim traditionellen Pressetag der Bregenzer Festspiele am Donnerstag seinen Gefühlen darüber freien Lauf, dass nach dem Totalausfall durch Corona im Vorjahr seine Erfolgsinszenierung der Verdi-Oper „Rigoletto“ am See heuer im zweiten Jahr wieder fast ohne Einschränkungen gespielt werden kann. Er sprach damit wohl den meisten seiner Kollegen aus der Seele: „Es ist ein tolles Gefühl für alle, nach diesem schwierigen Jahr für uns Theaterkünstler endlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen, getragen von Euphorie!“

Jubiläum 75 Jahre Bregenzer Festspiele

Beim Pressetag der Festspiele, jeweils 14 Tage vor Eröffnung des Festivals, geht es auch diesmal um die beiden großen Premieren im Haus und am See, denen am Beginn jeweils das besondere Augenmerk der Prominenz und der internationalen Presse gilt. Neben der Seeproduktion „Rigoletto“ ist das in diesem Jahr die von Opern-Feinspitzen mit besonderer Spannung erwartete unbekannte Monumental-Oper „Nero“ von Arrigo Boito. Diese Saison steht zudem ganz im Zeichen des 75-jährigen Bestehens der Bregenzer Festspiele, auf das in verschiedenen Produktionen Bezug genommen wird. Unter der fachkundigen Moderation des Dramaturgen Olaf A. Schmitt erläuterten Festspiel-Intendantin Elisabeth Sobotka und der Kaufmännische Direktor Michael Diem zunächst die allgemeine Lage des Festivals, das von 21. Juli bis 22. August dauert und rund 80 Aufführungen umfasst.
Demnach sind derzeit 80 Prozent der 192.000 aufgelegten „Rigoletto“-Tickets bereits gebucht, das entspricht den Werten von 2019. Diem: „Die Menschen haben Vertrauen gefasst, dass das auch stattfindet. Aber es gibt noch Karten.“ Dazu darf das Publikum nach den derzeitigen Pandemiebestimmungen am See und im Haus ohne Beschränkung und maskenlos die Ränge füllen, einzig die 3-G-Regel wird bei jedem einzelnen Besucher am Eingang peinlich kontrolliert. Das gesamte künstlerische, technische und administrative Personal des Festivals wurde und wird mehrfach getestet, ohne dass es bisher einen Coronafall gegeben hätte. Deshalb kann in kleinem Rahmen auch ohne Maske geprobt werden, bei Chören und Orchester derzeit noch mit Maske. Der traditionelle Festspielempfang nach der Eröffnung wird heuer allerdings entfallen.

„Bregenzer Ensemble“

Elisabeth Sobotka verspürt derzeit unglaubliche Energie und Begeisterung bei den Proben der Künstler und sieht ihren Traum eines „Bregenzer Ensembles“ heuer wieder um einen Schritt weiter verwirklicht, nachdem Sängerinnen und Sänger, die noch vor Jahren im Opernstudio mitgewirkt hatten, nun bei der Großproduktion am See eingesetzt werden. Regisseur Philipp Stölzl ergänzt, dass die heuer neu im Ensemble tätigen Künstler wichtige Impulse einbrächten. Ansonsten sei es „ewig her – andererseits aber wie gestern“, dass man 2019 den letzten „Rigoletto“ am See gespielt habe. Er werde höchstens ein paar Kleinigkeiten ändern, „ansonsten wird die Inszenierung heuer genau so toll sein wie vor zwei Jahren.“
Neu auf der Seebühne ist dagegen die britische Dirigentin Julia Jones, in dieser Funktion übrigens die erste Frau in der 75-jährigen Geschichte der Festspiele (!). Sie kennt die Wiener Symphoniker noch nicht, arbeitet dafür aber bereits mit den drei Besetzungen der Hauptpartien und ortet „sehr gute Sänger, wenn auch oft von sehr unterschiedlicher Auffassung“, die man im Gesamtkonzept etwas anpassen müsse. Ansonsten freut sie sich über die wunderbare Arbeitsatmosphäre im Team.

56 Jahre an „Nero“ gearbeitet

Während ein geplanter Probenbesuch von „Rigoletto“ am See durch Gewitterregen vereitelt wird, bekommen die internationalen Pressevertreter im Haus einen Ausschnitt aus dem 2. Akt der Oper „Nero“ des Italieners Arrigo Boito zu sehen, der vor allem als Librettist für Verdis „Otello“ und „Falstaff“, aber auch durch seine eigene Oper „Mephistofele“ bekannt ist. Seine der Figur des schillernden und zwiespältigen römischen Kaisers gewidmete Oper „Nerino“ dagegen, an der er 56 Jahre gearbeitet hat und von der bis 1924 trotzdem nur vier der geplanten fünf Akte vollendet wurden, ist praktisch unbekannt geblieben.
Der Regisseur Olivier Tambosi, der 2016 Franco Faccios Oper „Hamlet“ hier inszenierte, und der am Pult neue Dirigent Dirk Kaftan haben sich in einer gemeinsamen Kraftanstrengung in dieses waghalsige Unternehmen gestürzt und werden das Mammutwerk in Bregenz zur Aufführung bringen. Tambosi: „So etwas geht nicht unter normalen Bedingungen an einem Opernhaus, dazu braucht es die Möglichkeiten eines Festivals.“ Elisabeth Sobotka, die das Werk lange kannte und dessen Wiederentdeckung nun angeregt hat: „Ich glaube, wir haben damit das ideale Team gefunden!“        

Barbarei und Machtdemonstration

Der Dirigent war sofort begeistert von den neuartigen Farben dieser Musik aus Zeiten der Dekadenz, mit einem Hang zur Barbarei und Machtdemonstration. Auch der Regisseur fand über die Musik zu diesem Werk und war fasziniert von der Darstellung der Figur Neros in der Oper, den Dualismus zwischen Gut und Böse, die für ihn viele Deutungsmöglichkeiten offenlässt.
Der Darsteller des Nero, der in einem riesigen Arbeitsaufwand diese Partie erarbeitet hat, die er vermutlich später nie mehr brauchen kann, ist der Mexikaner Rafael Rojas, der sich bei der Pressekonferenz als origineller Typ outet und die Übernahme dieser Rolle als „gefährliches Abenteuer“ bezeichnet. Umso mehr, als die Schauplätze der Handlung durch eine Drehbühne und eine Drehscheibe rasch wechseln und „man darin gerne die Orientierung verliert, wie in einem Labyrinth“ (Rojas).

Premieren:
Mittwoch, 21.Juli, 19.30 Uhr, Festspielhaus: „Nero“ von Arrigo Boito (Live in Österreich 1)
Donnerstag, 22. Juli, 21.15 Uhr, Seebühne: „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi (Wiederaufnahme)
Karten und weitere Informationen unter www.bregenzerfestspiele.com