„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Walter Gasperi · 08. Jul 2021 · Film

Aktuell in den Filmclubs (9.7. - 15.7. 2021)

Das Skino in Schaan zeigt diese Woche unter anderem den Dokumentarfilm "Amazonen einer Grossstadt". Eine bittersüße Tragikomödie und Emanzipationsgeschichte steht dagegen beim Open-Air in Tschagguns mit Silvio Soldinis "Brot und Tulpen" auf dem Programm.

Amazonen einer Grossstadt: Ausgehend von den mythischen Amazonen und eigenen Kindheitserfahrungen zeichnet Thaïs Odermatt in ihrem 65-minütigen Dokumentarfilm starke Porträts von drei jungen, in Berlin lebenden Frauen: der DJane That Fucking Sara, der Mixed-Martial-Arts-Kämpferin Maryana Ivashko und der ehemaligen kurdischen Guerilla-Kämpferin Zilan.
Parallel zeichnet Odermatt die Porträts dieser drei migrantischen Frauen. Mit Archivmaterial und Interviews bietet sie Einblick in die schwierige Kindheit der in Bangladesch geborenen Sara, die als Adoptivkind nach Dänemark kam, oder in die Kriegserfahrungen Zilans im kurdischen Berggebiet und vermittelt in Bildern vom harten Training und Kämpfen die Entschlossenheit und Stärke der aus der Ukraine stammenden Maryana.
Viel Raum lässt "Amazonen einer Grossstadt", der heuer den Schweizer Filmpreis für den besten Abschlussfilm gewann, ihren Protagonistinnen. Plastisch wird herausgearbeitet, wie diese Frauen in der multikulturellen deutschen Hauptstadt heimisch geworden sind und sich ihren Platz erkämpft haben und Zilan weiter einerseits in einem Projekt für Flüchtlingsfrauen kämpft, andererseits auch dafür sorgen will, dass ihr Sohn nicht machistisch-patriarchale Verhaltensweisen annimmt.
Gleichzeitig bringt die Innerschweizer Regisseurin aber auch sich selbst ins Spiel, wenn sie die Geburt ihrer Tochter und die Stärke thematisiert, die sich im Ertragen des Geburtsschmerzes manifestiert. Der Reduzierung auf äußere Schönheit auf den omnipräsenten Plakaten von Frauen wird dabei ein Projekt von Uta Melles gegenübergestellt, die ihre Brustamputation in einem Fotobuch dokumentierte und so die Schönheit des versehrten und unperfekten Körpers feierte.
Fraglos sind die drei starken Protagonistinnen das wichtigste Kapital dieses Dokumentarfilms, doch Odermatt gelingt es auch die drei Porträts geschickt zu verzahnen und ihrem Film auch über das eingestreute Archivmaterial und ihre eigenen Reflexionen eine Leichtigkeit und Verspieltheit zu verleihen, die diesem Plädoyer für weibliches Selbstbewusstsein ansteckende Kraft verleiht
Skino Schaan: Mo 12.7., 18.30 Uhr


Brot und Tulpen:
Bei einer Busreise wird Rosalba (Licia Maglietta), Hausfrau aus Pescara, auf einer Autobahnraststätte vergessen. Auch ihr Mann und ihre beinahe erwachsenen Söhne merken zu spät, dass sie fehlt. Nach Hause will Rosalba nun aber vorerst nicht und stoppt nach Venedig - dort war sie noch nie. Eine Nacht in der Lagunenstadt ist beabsichtigt, doch dann bleibt sie dort hängen, wird vom melancholischen Kellner Fernando (Bruno Ganz) aufgenommen und beginnt in einem Blumenladen zu arbeiten.
Das ist nicht nur eine brillant geschriebene, sondern auch äußerst geistreiche Komödie über Emanzipation und Selbstfindung - ein Film, der feinfühlig das thematisiert, was der Reiseführer am Beginn vor den Tempeln von Paestum erläutert: Die Italiener als Resultat der Verschmelzung von griechischer Philosophie und römischem Rationalismus und Pragmatismus. Auch Rosalba muss sich zwischen Emotion (persönlichem Glück) und Vernunft (Familie) entscheiden.
Doch nicht aufdringlich, sondern eher beiläufig wird davon erzählt, seinen Charme gewinnt der Film durch das harmonische Zusammenspiel vieler Komponenten vom einfallsreichen Drehbuch, dem sich Silvio Soldinis Regie unterordnet, über die prägnant gezeichneten und hinreißend gespielten Figuren bis zum ruhigen, nie hektischen Erzählrhythmus.
Ergänzt werden diese Qualitäten noch durch das stimmungsvolle venezianische Ambiente, einen schönen Running Gag mit einem Handy und ein exaktes Timing, das jedes Abgleiten in Sentimentalität durch eine komische Wendung unterbindet. - Intelligentes, zauberhaftes Erwachsenenkino.  
Tschagguns, Haus und Garten der ehemaligen Caritas-Werkstätte (Bahnhof): Fr 15.7., 21.30 Uhr

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