Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Silvia Thurner · 02. Mär 2020 · Musik

Trotz des Scheiterns die Hoffnung beim Schopf packen – Monteverdis „L’Orfeo“ bei den Montforter Zwischentönen war ein eindrückliches Erlebnis

Auszüge aus der Oper „L’Orfeo" von Claudio Monteverdi bildeten den Abschluss der Montforter Zwischentöne, die unter dem Leitgedanken „(ver)lieren“ standen. Hervorragend und vielschichtig deuteten das Concerto Stella Matutina mit den Solistinnen und Solisten Jakob Pilgram (Orpheus), Tanja Vogrin (Eurydike und Harfe) die Quintessenzen des Werkes. Bereichert wurde die musikalische Darbietung mit Reflexionen des Theologen und Soziologen Reimer Gronemeyer, der die Tragödie von „Orpheus und Eurydike“ in die Gegenwart transferierte.

„L’Orfeo“, von Claudio Monteverdi im Jahr 1606 als musikalische Fabel komponiert, gilt als Grundsteinlegung für die Gattung der Oper. Die Musik insgesamt setzte höchste Ansprüche an die Musizierenden. Naturszenen mit tänzerischen Rhythmen und hellem musikalischem Duktus zeichneten am Beginn die zugrundeliegende Atmosphäre aus. Diese wurden ausdrucksstark kontrastiert von Trauermotiven und bedrohlichen Stimmungen aus der Unterwelt. Im Mittelpunkt stand die von Hoffnung getragene Willensstärke des Orpheus, der das Unmögliche möglich machte und sich auf den Weg in den Hades begab, um seine geliebte Eurydike zurück zu holen, doch er scheiterte.
Diese unterschiedlichsten musikalischen Ausdrucksformen, mit mannigfaltigen Verzierungen und harmonischen Farben sowie markanten Motivbildungen formte das Concerto Stella Matutina unter der Leitung des Cellisten Thomas Platzgummer transparent, gut artikuliert und mit viel Elan aus. Höchst bemerkenswert agierte die Basso-Continuo-Gruppe. Sie unterstützte die Sängerinnen und Sänger farbenreich, mit viel Augenmerk auf die melodischen Ausdrucksgehalte und unterstrich die Tragik der musikalischen Gestalten maßgeblich.
Auch die Solistinnen und Solisten agierten gut aufeinander abgestimmt und füllten ihre Rollen hervorragend aus. Allen voran Jakob Pilgram als Orpheus, der die rhetorische Stimmführung, durchsetzt mit virtuos ausgeformten Ornamenten, hervorragend darbot. Auch die Sopranistin Tanja Vogrin als Eurydike, sich an der Harfe selbst begleitend, begeisterte. Insbesondere in den tieferen Lagen verströmte die Altistin Julia Böhme ein sattes Timbre, kraftvoll füllte Jaromir Nosek seine Rollen aus und der Countertenor Roman Melish gestaltete seine Partien mit einer gelenkig geführten Stimme.

Reflektierte Handlung und Wendepunkte

Die Auswahl der Satzfolge aus dem Original wurde zu drei markanten Wendepunkten geführt. Der erste Handlungsstrang erzählte zuerst von naturbeseelter, tänzerischer Leichtigkeit und Hochzeitsfreuden bis zur Nachricht des Todes und die Trauer um Eurydike. Den Kern der dreiteilig angelegten Aufführung bildete Orpheus‘ von Hoffnung und Mut getragenem Weg in den Hades. Nachdem Orpheus scheiterte, blieb Eurydike in der Unterwelt zurück, ihn hingegen zog es ans Licht. Reimer Gronemeyer reflektierte diese drei Handlungsebenen, in dem er Bezüge zwischen Natur, Naturzerstörung und Naturschutz herstellte. Er sprach mit anschaulichen Bildern, Verweisen auf die Literatur und Erzählungen eigener Erlebnisse über Empathie und Gelassenheit sowie über das Scheitern. Nicht ganz ohne predigenden Impetus betonte er die Liebe und Liebesfähigkeit als (über)lebensrettende Eigenschaft, um Hoffnung zu geben und Zerstörung zu beenden.
Die Aufführung wurde verstärkt durch das einfache, aber eindrücklich wirkende Farbkonzept auf der Bühne, in dem die Grundstimmungen in grün, blau und rot ausgeleuchtet wurden. Inserts begleiteten den Handlungsverlauf. Die Konzertbesucherinnen und -besucher ließ sich auf die stimmige Aufführung ein und hörten konzentriert zu, so dass sich im Saal des Feldkirchen Montforthauses eine „hellhörige“ Atmosphäre ausbreitete.