Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Anita Grüneis · 12. Feb 2020 · Musik

Titanen im Vaduzersaal: Lars Vogt, Peter Simonischek und Beethoven

Ein titanisches Konzert erlebte das Publikum im Vaduzersaal mit Lars Vogt, Peter Simonischek, Ivor Bolton, Ludwig van Beethoven und dem Sinfonieorchester Basel. Im Mittelpunkt stand die Musik Ludwig van Beethovens – einmal in Form des Klavierkonzerts Nr. 5, op. 73 in Es-Dur mit dem Pianisten Lars Vogt, einmal als Ausschnitte aus der Ballettmusik «Die Geschöpfe des Prometheus», op. 43 mit dem Burgschauspieler Peter Simonischek. Beide Werke wurden vom Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Ivor Bolton präsentiert.

Der junge Beethoven war bekannt für sein leidenschaftliches Klavierspiel und seine fantasievollen Improvisationen. Er konnte auf der Basis von einfachen Tönen aus dem Stegreif heraus immerzu neue Melodien entwickeln. Genauso spielte Lars Vogt Beethovens Klavierkonzert Nr. 5. Es schien, als würde er das Stück eben aus der Lust am Spiel heraus entwickeln. Bisweilen tönte es, als spielte er mit vier Händen, mühelos fing er die wuchtigen Töne des Orchesters auf und wandelte sie zu schwerelosen «Schneeflocken-Tönen». Manchmal forderte er die Musiker zum Duell, dann wieder nahm er die vom Orchester geschaffene Stimmung auf und führt sie subtil in andere Bereiche. Aus stürmisch wurde zärtlich, die Ungeduld wich dem Langmut.

Ein Gute-Nacht-Kuss von Lars Vogt

Lars Vogt sprach mit glasklaren Tönen, schmerzhaft schönen Trillern, kraftvollen Läufen und sanftesten Anschlägen über jene Gefühle, die Beethoven beim Komponieren gehabt haben könnte, als die französischen Truppen Napoleons vor Wien lagen und die Stadt bombardierten. Er schimpfte, zog sich aber auch in seine Fantasien zurück. «Ausblicke in die Ewigkeit» nennt der Pianist Vogt die lyrischen Momente im Adagio. Beim abschließenden Rondo schienen sich die Töne dann vor Freude zu überschlagen.
Nicht von dieser Welt war die Zugabe von Lars Vogt. Ein «Nocturne» Frédéric Chopins wurde an diesem Abend zu einem Gute-Nacht-Kuss für das Publikum, das nach Verklingen des letzten Tons gefühlte fünf Minuten lang schwieg, bevor es donnernd applaudierte. 

Die Titanen und die Ballett-Musik

Nach der Pause wechselte die Stimmung. Von der Musik eines Komponisten-Titanen, gespielt von einem Pianisten-Titanen, ging es zu den mythologischen Titanen. «Am Anfang war das Chaos und der göttliche Zwitter, der um sich selbst kreiste», schrieb der Basler Autor Alain Claude Sulzer. Er hatte im Auftrag des Basler Sinfonieorchesters zu Beethovens Ballettmusik «Die Geschöpfe des Prometheus» op. 43 eigene Texte geschrieben, die vom Burgschauspieler Peter Simonischek zwischen den Musikstücken vorgetragen wurden. Sie wirkten zu Beginn, als hätte Beethoven die Musik eigens für die Texte komponiert. Da hatte der Autor gut in die Musik hineingehorcht. Das Original-Libretto des Tänzers Salvatore Vigano ist verschwunden, aufgrund zeitgenössischer Schilderungen entstanden immer wieder neue Texte zur Ballettmusik Beethovens. Das nun vorgetragene Werk wurde im Oktober 2019 in Basel uraufgeführt.

Die Eintagsmenschen und das Pathos

Der Schweizer Autor Alain Claude Sulzer schuf den von Prometheus geschaffenen Wesen eine Handlung und nannte sie «Eintagsmenschen» - mit diesem Wort hatte schon der Schriftsteller Ernst Jünger «besonders wertlose Individuen» bezeichnet. Prometheus bringt ihnen das Feuer und büßt schwer dafür, doch die Menschlein erfreuen sich ihres Lebens und des Hundes, wie Alain Claude Sulzer schrieb. Sie erleben unter anderem auch die Erfindung der Musik, wobei das Cello im Orchester eine wesentliche Rolle übernahm. Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Dirigent Ivor Bolton ließ Beethovens Musik manchmal revolutionär modern klingen, dann wieder beherrschte großes sinfonisches Pathos die Bühne. Die Aufführung des fast siebzig Minuten langen Stücks wurde dank der klugen Gliederung, der Lesekunst des Schauspielers Peter Simonischek und des straff geführten und satt klingenden Spiels des Orchesters nie langweilig. Die Schlussworte über die Eintagsmenschen lauteten: «Sie fürchten den Tag, an dem das, was sie geformt haben, auch zum Leben erwacht, um sie zu beherrschen.»