Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Ionian · 19. Mai 2012 · Musik

Superindependent – Klanglandschaften abseits ausgetretener Pfade

Das Soundsnoise Festival 2012 hält, was es verspricht und schafft an vier Tagen Raum für Experimentelles, Avantgardistisches, Schräges und Extremes aus der Welt der Musik. Wer also genug hat von ausgelutschten Klischeerepetitionen, findet hier eine Oase der Andersartigkeit.

Warum nicht gleich mit einem Knaller eröffnen? Eno aus der Schweiz läuteten den Freitagabend des Soundsnoise Festivals ein. Dabei hätten sie genausogut auch Headliner des Abends sein können. Ivo Münger und Christian Mikolasek sind die beiden Protagonisten. Sie singen nicht, dafür bespielen sie ein ganzes Arsenal an Instrumenten und Geräten. Wer meint, dass Instrumentalmusik irgendwann langweilig werden muss, irrt im Fall von Eno gewaltig. Wie sie ihre vielen kleinen elektronischen Helferlein bedienen und dann wieder voll in ihrem Instrument aufgehen, das ist was fürs Ohr und auch fürs Auge. Sie bauen Spannung auf, indem sie eine Klangschicht über die nächste legen. Irgendwann findet man sich in einen Soundteppich eingewickelt, bei dem die einzelnen Fäden nicht mehr erkennbar sind. Und genau dann setzen sie noch eines drauf, machen so richtig auf und explodieren förmlich. Das klingt dann nicht mehr nach einem Duo, sondern viel mehr nach einem ganzen Klangorchester. Die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums war ihnen so gewiss. Und es war klar, wohin die Reise gehen sollte.

Bunt und schwungvoll

Nach dieser starken Eröffnung und kurzen sieben Minuten Pause gings dann im Saal des Spielbodens zur Sache. 78plus bekräftigten gleich, dass sie sich hier schon wie zu Hause fühlen würden. Kunststück bei der Frequenz, mit der sie zu Auftritten kommen. Das Wiener Quartett war viel bunter und schriller als noch die meditative Eröffnung und auch weniger atmosphärisch. Dafür brachten sie Schwung in die Bude. Manche Arrangements erinnerten an Weltmusik aus dem Balkan, dann wieder was eher Jazziges und auch Pop. Immer durchzogen von elektronischen Beschleunigern. Die Kombination mit einem Kontrabass brachte dem Sound entsprechende Wärme und Klangfarbe. Dass der Schlagzeuger kurzfristig eingesprungen war und das ganze Konzert so perfekt mitspielte, ohne dass es davor eine Probe gab, war schwer zu glauben. Gemerkt hat man davon nichts, der Auftritt brachte das Eis zum Schmelzen und es wurde bereits getanzt.

Tanzbare Schlagerromantik

Aber mit Tanz Baby! erreichte der Abend seinen Höhepunkt im Saal. Wenn man mit dem falschen Ohr hinhört, sind sie eine moderne Schlagerpartie. Doch statt Musikantenstadl und Geschunkel sind sie durchaus hörbar und tanzbar. Kristian „Mu“ Musser hat über die Heimorgel zu dieser Schlagerromantik gefunden. An seiner Seite zeigt David Kleinl puren Pathos mit roter Rose im Knopfloch, Pomade im Haar und großen Gesten. Sie präsentierten beim Soundsnoise Festival ihr langersehntes zweites Album „Staub oder Stern". Das Material bleibt der Linie treu, sie scheinen sich ganz wohlzufühlen in ihrem selbst erschaffenen Genre. Die deutschsprachigen Texte zu Songs wie „Ich bin traurig“, „Vielleicht bist es du“ oder „Ich bin ein Stern“ sind einfach und lassen Platz für eigene Schwärmereien. Mit zusätzlicher Großstadtromantik und sehr viel Sehnsucht schaffen sie es, dass man gar nicht weghören kann. Und doch war der Name Programm und es wurde ausgelassen getanzt, Baby.

Schwere Soundwalze

Auffällig war, dass an diesem Abend von allen Bands bisher zumindest einmal in die Melodika geblasen wurde. Zum Schluss ging in der Kantine nochmal die Post ab mit I Wanna Boogie With You, einem Wiener Post-Funkcore-Trio. Damit wurde wieder der Bogen gespannt zur Eröffnungsband mit einigen Parallelen. Konventionelle Songstrukturen interessierten sie beide nicht. Und was dann auf einen zugerollt kam, wurde zu Recht als Soundwalze angekündigt. Dass da außergewöhnlich gute Musiker dahinter standen, war auch offensichtlich. Irgendwann war es dann aber auch genug, denn als leichte Kost kann man ihre Songs nicht bezeichnen.

Der Abend war vielseitig und ist viel zu schnell vergangen. Die Stimmung war klasse und die außergewöhnlichen Bands machten Lust auf Mehr abseits der ausgetretenen Pfade. Superindependent war für Andreas Haim und sein Team das Motto. Und es ist geglückt.

Wer sich noch ein Bild machen wil: Heute Samstag gibt es nochmals eine ganze Ladung Experimentelles im Spielboden zu hören. Eine Vorschau auf das heutige Programm:
http://spielboden.at/veranstaltungen/2012/05_mai/soundsnoise-festival-2013-andy-dixon-fm-einheit-irmler-broken-heart-collector-crazy-bitch-in-a-cave-dj-falcon-punch