Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 19. Aug 2011 · Musik

Starker Abschluss und eine ungewisse Zukunftperspektive – das „oesterreichische ensemble für neue musik“ setzte einen markanten Schlusspunkt hinter die diesjährigen KAZ-Konzerte

Zum Abschluss der diesjährigen „Kunst aus der Zeit“-Konzertreihe waren drei starke Stücke zu hören. Wie im vergangenen Jahr musizierte das engagierte „oesterreichische ensemble für neue musik“ unter der Leitung von Titus Engel im Seestudio. Im Mittelpunkt stand Ruth Rosenfeld, jene Sopranistin, die bereits im vergangenen Festspieljahr in „Jacob’s room“ für Aufsehen sorgte. Die Uraufführung „wegda“ von Bernhard Gander formte sie mit einer mitreißenden Gestaltungskraft. Sie war es auch, die Bernhard Langs Werk „Differenz Wiederholung 9: Puppe/Tulpe“ ein markantes Profil verlieh.

„Differenz Wiederholung 9: Puppe und Tulpe“ ist ein spannendes Werk, das vor allem im Hinblick auf die Verteilung der Musik im Raum originell angelegt ist. Die Klangereignisse der einzelnen Instrumente erklangen nach bestimmten Regeln festgelegt in der Mitte, auf der einen oder anderen Seite des Raumes. Das Nachvollziehen von Tonmustern und deren Positionen, die rhythmischen Patterns und die unterschiedlichen Charaktere einzelner Tonlinien ließen ein gut proportioniertes Panoptikum aus Wiederholungen, korrespondierenden Gesten und Variantenbildungen entstehen. Im Zentrum stand die Stimme, deren Text in Erinnerung an den im Jahr 2001 verunglückten Schriftsteller Christian Loidl konzipiert worden ist. Die Sopranistin Ruth Rosenfeld entwickelte mit ihrer Aussagekraft eine dichte Bühnenpräsenz, so dass sich der Fokus unmittelbar auf sie richtete. Ihre vielfältigen Stimmregister sowie ihre souverän eingesetzte Stimme als ‚Vokalinstrument’ faszinierte. Ebenso überzeugend wirkte die Korrespondenz zwischen der Vokalistin und den Ensemblemitgliedern.

Tonbeziehungen differenziert gesplittet

Enno Poppes Komposition „Salz“ ist mikrotonal angelegt und beschrieb hundertdreiundzwanzig Wellen und die allmähliche Steigerung der übereinander gelegten Wellen. Während des Verlaufs entwickelten sich vielgestaltige Schwebungen und Vibrationen, die kaleidoskopartig in Beziehung zu den Instrumentalklängen traten. Besonders spannend nachzuvollziehen waren der Beginn und das allmähliche Auseinanderdriften der Tonabstände in den dicht verwobenen, jedoch stets transparent wirkenden Klangfeldern.

Mit den Mitteln der Kunst sich Luft verschaffen

Im Auftrag von KAZ komponierte Bernhard Gander das Werk „wegda". Der Titel hat eine frappante Ähnlichkeit mit dem Namen der ehemaligen Innenministerin. Diese ist für ihren unmenschlichen Umgang mit Zuwanderern bekannt – Bernhard Gander wehrte sich auf seine Weise und setzte ein Zeichen. Den Vokalpart füllte wiederum Ruth Rosenfeld mit ihrer ganzen Aussagekraft aus. In unterschiedlichen Rollenverteilungen und Stimmenregistern zeichnete sie ein Bild über die Asylpolitik in Österreich. Die Texte und Inhalte beruhen auf Zeitungs- und Nachrichtenmeldungen. Musikalisch gesteigert wurden die Aussagen durch unisono geführte Tonlinien, die wie Unterstreichungen und Kommentierungen des Textes wirkten. Schnelle Wechsel, Rhythmisierungen und signalartige musikalische Floskeln ergaben einen rasanten musikalischen Fluss.

Die dreizehn MusikerInnen des „oenm“ unter Titus Engel musizierten in guter Kommunikation zueinander. So wurden fein abgestimmte musikalische Entwicklungen gut nachvollziehbar ausgeformt. Überdies stellte das Ensemble mit der Darbietung dieser drei so unterschiedlich angelegten Werke seine Vielseitigkeit eindrucksvoll unter Beweis.

Quo vadis KAZ

„What happens next?“ lautete der Titel der KAZ-Abschlussveranstaltung. In gewissem Sinn ist dieses Motto auch programmatisch zu verstehen, denn es ist eine offene Frage, wie „Kunst aus der Zeit“ in Zukunft aussehen wird. Gerüchten zufolge wurde Laura Berman, Leiterin der „Kunst aus der Zeit“, für die nächste Zeit zur Untätigkeit verdonnert und einstweilen in die Warteschleife gestellt. Da Einsparungen bereits angekündigt sind, ist zu befürchten, dass diese in erster Linie die avancierte zeitgenössische Musik betreffen. Zumal nun in das Hauptprogramm Uraufführungen und zeitgenössische Werke aufgenommen worden sind. Diese Initiative ist zwar lobenswert, allerdings resultiert daraus auch ein Missverständnis im Hinblick auf originäre künstlerische Entwicklungsprozesse. Über aktuelle Tendenzen in der zeitgenössischen Musik sollten sich die Programmverantwortlichen besonders informieren. Viel zu oft befördert nämlich Musik mit einem aktuellen Entstehungsdatum alte Hüte ans Licht. Die Oper „Achterbahn“ von Judith Weir ist ein Beispiel dafür. Derartige Kompositionen besitzen keine Innovationskraft und auch keine nachhaltige Wirkung.