Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 26. Nov 2015 · Musik

Sicherer Seiltanz zwischen Neuem, Klassischem und Ohrwürmern – Anregende „Dornbirn Klassik“ mit dem „Brodsky Quartet“ und der Pianistin Yu Kosuge

Das zweite Abonnementkonzert von „Dornbirn Klassik“ war ein besonderes kulturelles Ereignis. Im Mittelpunkt stand die Uraufführung eines Werkes des Dornbirner Komponisten Thomas Thurnher. Das „Übermalte Quartett“ wurde vom international gefeierten „Brodsky Quartet“ aus Großbritannien und der japanischen Pianistin Yu Kosuge präsentiert. Die Musik hinterließ einen großen Eindruck und wurde vom Publikum gut aufgenommen. Darüber hinaus interpretierte Yu Kosuge das aussagekräftige Klavierwerk „Kalavinka“ des japanischen Komponisten Akira Nishimura. Beethovens Streichquartett op. 130 wirkte in der Interpretation des "Brodsky Quartets" zwar nicht durchwegs überzeugend, regte aber zum Weiterdenken an.

Thomas Thurnher hat als Komponist seinen individuellen Ausdruck gefunden und kristallisiert seine Qualitäten nach Erfolgen im Bereich der Chormusik nun immer mehr auch in der Kammermusik heraus. Bereits zum zweiten Mal machte es der Kurator von „Dornbirn Klassik“, Roland Jörg, dem Dornbirner Komponisten möglich, dass ein neues Werk von einem international renommierten Ensemble präsentiert wird.

Erfolgreiche Uraufführung


Inspiriert zu seinem neuen Werk wurde Thomas Thurnher vom Bildenden Künstler Arnulf Rainer und seinen Übermalungen. Darauf nimmt auch der Untertitel der neuen Komposition - „Schubert erfährt Arnulf Rainer“ - Bezug. Als musikalische Grundlage diente Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“. Der Streicherbesetzung stellte Thomas Thurnher einen Klavierpart zur Seite, der es in sich hatte. Während in den Violinen, der Bratsche und dem Violoncello die allseits bekannten Kernthemen der Vorlage erklangen, kommentierte, irritierte und beleuchtete der Klavierpart von seiner Warte aus ständig die musikalischen Floskeln der Quartettmusiker. So entwickelte sich in den Themenführungen ein ständiges neben- und gegeneinander der einzelnen Stimmgruppen. Die Aufmerksamkeit lenkten verdichtete Passagen auf sich, in denen es auch ein Kräftemessen gab. Spannend waren jene Abschnitte, in denen der Streicherpart durch die Interventionen des Klaviers ins Wanken geriet oder „skelettiert“ erklang und sodann mit suchenden Gesten den musikalischen Fluss wieder bündelte.

Den Werktitel und die damit implizierten Intentionen konnte ich nicht mit dem Gehörten in Einklang bringen. Dies ist jedoch nebensächlich, denn Thomas Thurnher schuf ein inspirierendes Werk, das Schuberts Musik von einem geistreichen Blickwinkel aus beleuchtete.

Bilderreiche japanische Musik


„Kalavinka“ des japanischen Komponisten Akira Nishimura spielte die Pianistin Yu Kosuge mit einer kraftvollen Anschlagskultur. Die bildhafte, modal angelegte Musik, verbunden mit großen Gesten und originell nachhallenden Klangräumen, erklang in einer guten Balance zwischen wirbelnden Bewegungsmustern und großen Spannungsverhältnissen, die auf den Intervallbeziehungen beruhten. Dazu passte die anschließend dargebotene „Arabeske“ von Robert Schumann als luftiges und poetisches Spiegelbild. Wenig feinsinnig interpretierte Yu Kosuge hingegen die „Widmung“ von Robert Schumann in der Transkription für Klavier von Franz Liszt.

Wechselnde Gefühle


Das Streichquartett Nr. 13, op. 130 von Ludwig van Beethoven ist ein Mammutwerk mit vielen kompositorischen Anreizen. Weil das Werk so berühmt ist, boten sich Interpretationsvergleiche an. Den Höhepunkt der Werkdeutung setzte das „Brodsky Quartet“ in der Cavatine, die sie mit einem großen gemeinsamen Atem entfalteten. Das Presto nahmen die Musiker wörtlich und setzten mit ihrem Spiel vor allem auf den rasenden Duktus. Einesteils erreichten sie damit ein lebendiges Musizieren, andernteils ging diese Haltung allzu sehr auf Kosten des Klanges und auch der Intonation. So war die Interpretation des Beethoven-Streichquartetts ein Wechselbad der Gefühle zwischen zustimmendem Aufhorchen und ins Extreme führenden Spielarten.

Kluge Bearbeitungen


In Bearbeitungen für Klavierquintett präsentierten Yu Kosuge und das „Brodsky Quartet“ (Daniel Rowland und Ian Belton, Violine; Paul Cassidy, Viola; Jacqueline Thomas, Violoncello) drei Miniaturen aus Schumanns „Kinderszenen“, op. 15. In dieser Besetzung erhielten die Stücke „Von fremden Ländern und Menschen“, „Kuriose Geschichten“ und „Träumerei“ einen Streicherpart, der wie eine Weichzeichnung wirkte und eine angenehme Abwechslung zu den allseits bekannten Werkdeutungen bot. Der mitreißende Valse Nr. 2 aus der Suite für „Varieté-Orchester“ von Dmitri Schostakowitsch verfehlte auch im Dornbirner Kulturhaus seine Wirkung nicht. Die Bearbeitung für Streichquintett von Paul Cassidy bestach durch die vielfarbigen Klangfarben und den Esprit, den die Musiker in das Stück hineinlegten.