Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thorsten Bayer · 26. Nov 2015 · Musik

Wenn das Ganze weniger ist als die Summe seiner Teile – ein rätselhafter Auftritt von Jesper Munk im Conrad Sohm

Deutschland, Dänemark, Mississippi-Delta: Der junge Bluesmusiker Jesper Munk brachte gestern Abend einige Einflüsse mit nach Dornbirn. Die großen Gefühle, die er dabei in seinen Texten beschwor, vermochte er leider nur sehr selten zu wecken.

Okay, die Ausgangslage könnte einfacher sein, das sei zu seiner Verteidigung fairerweise gesagt – ein 23 Jahre alter Blondschopf aus dem saturierten München als Blues-Musiker; einem Stil aus den Südstaaten der USA, den Musiker wie Muddy Waters und John Lee Hooker verkörpert haben und der in seinen Texten häufig Themen wie Diskrimierung, Arbeitslosigkeit und Armut behandelt. Eine große Herausforderung, wie es auch Karl Fluch im Standard vom 2. April anlässlich der Veröffentlichung des zweiten Albums „Claim“ schön auf den Punkt brachte: „Der Jugend nimmt man den Blues normalerweise nicht ab. Ein bisserl tagebuchtauglichen Weltschmerz wegen einer nicht bestandenen Führerscheinprüfung oder eines frühzeitigen Samenergusses, das ja, aber doch nicht das hohe Lied und Leid des Blues.“

Interessanterweise gelingt Jesper Munk dieser Spagat auf seinen Alben sehr wohl – sowohl auf „Claim“ als auch auf dem 2013 erschienen Debüt „For In My Way It Lies“. Live hingegen nimmt man ihm seine Musik einfach nicht ab. Es mag daran liegen, dass er am Ende seiner Tournee viel (Überzeugungs-)Kraft unterwegs eingebüßt hat. Es ist schade: Die Anlagen stimmen ja, die „Einzelteile“ sind völlig in Ordnung; sei es Munks Gitarrenspiel und vor allem seine rauchige, ausdrucksstarke Stimme, sei es die musikalische Begleitung seiner zwei Kollegen an Bass, Keyboard und Schlagzeug. Auch an Engagement lassen es die drei nicht mangeln – und doch: Es bleibt ein eigenartig blutleerer Auftritt, der weder in den Bauch noch in die Beine geht. Ein kühler, seelenlos gespielter Blues? Das kann nicht gutgehen.

Großes Potenzial

Jesper Munks erstes Stück des Abends gibt noch viel Hoffnung auf einen energiereichen, stimmigen Abend mit der ganz großen Gefühlsorgel: Da kreischt die Fender Stratocaster, da wird die ohnehin schon rauhe Stimme noch durch einen heftigen Verzerrer gejagt, da machen auch Drums und Bass jede Menge Druck. Die oft herangezogenen Vergleiche mit modernen Bluesrockern wie Jack White oder den Black Keys scheinen nicht allzu weit hergeholt. „Was für ein geiler Laden“, befindet Munk mit einem Lächeln ins Publikum., es scheint gut zu laufen. Doch bald schon franst das Konzert seltsam aus, plätschert nur so vor sich hin. Und als dann nach einer halbstündigen Durststrecke bei einer Ballade endlich wieder die Intensität ansteigt, treten Gitarre und Schlagzeug in eine Art Solo-Wettstreit, in dem es keinen Sieger geben kann.

Ein Konzert der verpassten Möglichkeiten, das auch die Coverversion von Neil Youngs „The Needle And The Damage Done“ nicht retten kann. Seine besten Momente hat Munk bei ruhigen Stücken, allein mit seiner Gitarre auf der Bühne. In diesen melancholischen Stücken deutet er sein großes Potenzial an und lässt erahnen, warum ihn beispielsweise die Musikwoche zum „neuen Hoffnungsträger in Sachen Blues“ erklärt hat. Oder warum der Sohn einer Dänin und eines deutschen Musikers – Papa Rainer Germann hat ihn immer wieder als Bassist, Berater und Co-Produzent unterstützt – „Claim“ mithilfe namhafter Branchengrößen wie Mocky (Feist, Jamie Lidell), Jon Spencer (Jon Spencer Blues Explosion) oder Sepalot (Blumentopf) einspielen konnte und beispielsweise schon mit Eric Burdon & The Animals auf Tour war. Leider bleiben diese Augenblicke rar.

William´s Orbit

Einen besseren Eindruck hinterlässt die Vorband, William´s Orbit aus der Oberpfalz. Die fünf Bayern genießen sichtlich ihre erste Tour im Ausland, besonders Bassist Lukas Höllerer ist völlig in sein Spiel vertieft und treibt seine Kollegen mächtig an. Wuchtige und melodiöse Teile wechseln sich gut ab. Sänger Siegfried Häusler intoniert die Songs, die Namen wie „Take your time“, „Searching“ oder „Leave it all behind“ tragen, mit viel Inbrunst. Besonders „Take your time“ bleibt als radiotaugliches, poppiges Indierock-Stück im Ohr. Mit der Zeit nutzt sich zwar das Schema etwas ab, anders als der folgende Künstler bleiben sie aber stets glaubwürdig.