Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 23. Jun 2019 · Musik

Renaissance- und Barockmusik im Jazz weitergedacht – das Concerto Stella Matutina mit der Sängerin Winnie Brückner präsentierten „Nuove Invenzione“

Mit einer besonderen musikalischen Idee landeten das Barockorchester Concerto Stella Matutina und der Lautenist Rolf Lislevand einen großen Erfolg. Sie spielten unter dem Titel „Nuove Invenzioni“ tradierte Werke der Renaissance- und Barockzeit ein und führten diese mit Jazzimprovisationen in die Gegenwart. Sie gingen musikalischen Wurzeln nach und zeigten Verbindungslinien auf. Prompt erreichte die eingespielte CD den elften Platz in den deutschen Klassik-Charts. Nun erlebte das Abonnementpublikum des CSM in der Kulturbühne AmBach ein gleich betiteltes Konzert, jedoch mit einem abgeänderten Programm und ohne Rolf Lislevand. Dafür ergänzte die deutsche Jazzsängerin Winnie Brückner das Barockorchester. Das musikalische Niveau und die Kreativität der Musikerinnen und Musiker beeindruckten und boten anregende Klangerlebnisse. All jene, die derartige Grenzgänge mögen, kamen voll auf ihre Kosten. Das Publikum jubelte.

Es ist eine individuelle Qualität des Barockorchesters Concerto Stella Matutina, dass im Ensemble auch Musiker mitwirken, die im Jazz und in der Improvisation gleichermaßen wie in der Alten Musik versiert sind, allen voran der Trompeter Herbert Walser-Breuß und der Lautenist Thor-Harald Johnsen. Zum Zusammenwirken in Götzis war die deutsche Jazzsängerin Winnie Brückner eingeladen, die den Konzertabend maßgeblich prägte.

Ensemble mit Sängerin

Wer sich eine CD-Präsentation mit einer im Wesentlichen auf dem Programm des viel beachteten Tonträgers versammelten Werkauswahl erwartet hat, wurde enttäuscht. Das Konzert verströmte einen ganz anderen Klangcharakter, vornehmlich durch die Jazzsängerin Winnie Brückner. Sie wirkte zwar sympathisch und vielseitig, hat jedoch keine wirklich gute Stimme für barocke Musik.
Überzeugend gestaltete sie ihre eigenen Arrangements von John Dowlands „Time stands still“ sowie „Under the greenwood tree“ von Johann Hieronymus Kapsberger. Hier war sie in ihrem Metier und ganz sie selbst. Darüber hinaus sang Winnie Brückner mit einer instrumental geführten Stimme den Großteil der dargebotenen Werke mit. Sie verlieh somit den Werkdeutungen einen eigenen Touch, bestimmte aber das musikalische Klanggewebe ziemlich dominant mit.

Musikimmanente Parallelen herauskristallisiert

Herbert Walser-Breuß erklärte, dass das CSM mit dem Programm „Nuove Invenzioni“ die Ehre des Crossovers retten wolle. Dieses Vorhaben ist den Musikerinnen und Musikern durch ihre musikalische Kreativität insofern gelungen, als dass nicht allein oberflächliche Gegenüberstellungen der unterschiedlichen Welten der Barockmusik und des Jazz geboten wurden. Herbert Walser-Breuß und Stefan Konzett an der Posaune verliehen der Musik einen sprechenden Touch und in vielen Passagen unterstrich die mit Dämpfer gespielte Trompete den Aussagegehalt der Singstimme. Aufhorchen ließen auch die poesievollen Dialoge des Kontrabassisten Florian King mit der Sängerin. Darüber hinaus bereicherten die Lautenisten und Gitarristen Thor-Harald Johnsen und Thomas Boysen die musikalischen Darbietungen sehr wesentlich.
Die Intentionen kamen im Werk „Collascione“ von Kapsberger sowie Foscarinis „Tasteggiata detta la Feretti“ gut zum Ausdruck. In Erinnerung blieb darüber hinaus die Raffinesse der Stiltransformationen im „Pass’e mezzo e passacalli“ von Giovanni Paolo Foscarini. Den Höhepunkt des Abends bildete ein Block, der von den beiden Lautenisten mit dem Werk „Contrapunto primo“ von Vincenzo Galilei eingeleitet wurde und in einem farbenreichen Arrangement des Stückes „Canarios“ von Johann Hieronymus Kapsberger mündete. Die sich ständig aufbäumenden „Suspended Vatiations“ von Thomasz Stanko bildeten einen wirkungsvollen Abschluss. Virtuos und voller Esprit erklang überdies die Ciaccona von Philipp Jakob Rittler.

Crossover scheidet die Geister

Das Publikum reagierte trotz der Überlänge des Konzertabends euphorisch und die Musikerinnen und Musiker bedankten sich mit zwei Zugaben. Derartige Crossover Projekte sind Geschmackssache und scheiden unabhängig vom spieltechnischen Niveau die Geister. Die einen gehen begeistert mit, die anderen stehen teilweise etwas ernüchtert daneben, denken, das Gehörte sei weder Fisch noch Fleisch. Ich zähle mich zu dieser Gruppe.