„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Fritz Jurmann · 13. Nov 2019 · Musik

Programmpräsentation 2020 der Bregenzer Festspiele: Ein Angebot von unglaublicher Vielfalt

„Es gibt noch immer Leute, die die Bregenzer Festspiele nur auf den See reduzieren“, wundert sich Intendantin Elisabeth Sobotka in ihrem Einleitungsstatement zur Programm-Pressekonferenz der Saison 2020 am Mittwochvormittag vor internationalen Medienvertretern auf der Hinterbühne des Festspielhauses. Dabei sei es, so Sobotka, gerade die Vielfalt des Angebotes allein im Musiktheaterbereich zwischen traditioneller Oper und Uraufführungen, die das Besondere dieses Festivals ausmache. Mit allein fünf Opernproduktionen, davon zwei Uraufführungen, und weiteren zahlreichen Überraschungselementen dürfte die kommende 75. Festspiel-Saison locker an die vergangene heranreichen.

Dennoch bleibt natürlich Verdis heuer erstmals am See gespielter Opernknüller „Rigoletto“ das bestimmende und zugkräftigste Ereignis auch des kommenden Festspielsommers. Nachdem bereits zum jetzigen Zeitpunkt der Rekordwert von über 50 Prozent abgesetzter Karten von rund 200.000 aufgelegten Tickets für den See erreicht wurde, hat man am 12. August eine weitere, 28. Vorstellung eingeschoben, wie der Kaufmännische Direktor Michael Diem bestätigte. Mehr wird es allein aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht geben, weil die vier Montage für künstlerisches und technisches Personal frei bleiben müssen.

Lebkuchen für gute Laune

Um die anwesenden Journalisten bei Laune zu halten, erhielten sie am Eingang zur Pressekonferenz einen großen Lebkuchen in Form des zu Berühmtheit gelangten Fesselballons von der Seebühne. Ein solches Präsent gibt es auch für Leute, die sich vor Weihnachten noch für die Bestellung von „Rigoletto“-Karten entschließen. Wieder ein neuer Einfall des Festspielteams, wie man Leute in die Oper bringen kann.
Unter dem Motto „Never chance a winning production“ sei auch jetzt nicht an größere Änderungen dieser Erfolgsproduktion gedacht, man wolle höchstens an ein paar Stellschrauben etwas nachjustieren und da und dort natürlich in der Besetzung auch neue Stimmen ausprobieren, konkretisierte Elisabeth Sobotka. Wichtig sei ihr bei allem technischen Spektakel stets gewesen, dass die Oper dabei nicht ins Hintertreffen gerät. Überaus glücklich mit seinem Ergebnis war auch Regisseur Philipp Stölzl, der über sein erstes Jahr in Bregenz meinte: „It was the time of my life“.
Präsident Hans-Peter Metzler schickte diesen merkantilen und künstlerischen Überlegungen ein dickes Lob an sein „Dream-Team“ aus Programm und Technik voraus, das mittlerweile das ganze Jahr über mit der Planung, Erstellung und Durchführung eines immer dichter und reichhaltiger werdenden Programms beschäftigt ist und damit Festspiele in solcher Konsequenz überhaupt erst ermöglicht. „Es geht auch schon jetzt wieder mit Vollgas los, die Erwartungen sind hoch, es darf nichts zur Routine werden“, mahnte der Präsident.

Aufregende Hausoper „Nero“

Und das wird es mit Bestimmtheit nicht, denkt man allein an die Wahl der nächstjährigen Hausoper, einer Rarität par excellence. Die weitgehend unbekannte Oper „Nero“, die die historische Figur des blutrünstigen römischen Kaisers in den Mittelpunkt stellt, ist das Lebenswerk des Italieners Arrigo Boito, der sich in erster Linie als Librettist vor allem berühmter Verdi-Opern einen Namen gemacht hat. Als Komponist wurde man erst durch seine einzige Erfolgsoper „Mephistophele“ auf ihn aufmerksam, ganz eng an Goethes „Faust“ komponiert.
„Nerino“ aber, wie das Werk im Original heißt, begann er nach eigener Dichtung mit 20 zu komponieren und brachte dieses Lebenswerk trotz größter Anstrengung vor seinem Tod nicht fertig. Es wurde von fremder Hand vollendet und 1924 posthum uraufgeführt, verschwand aber wegen des Schwierigkeitsgrades der an Wagner, Meyerbeer und Liszt orientieren Musik und des enormen Aufwandes an Bühneneinrichtung und Personal mit überlieferten 600 Sängern und 150 Statisten bei der Uraufführung an der Mailänder Scala bald wieder in der Versenkung.

Olivier Tambosi – eine Show für sich

Als Regisseur für diese waghalsige Produktion hat sich die zugegebenermaßen „opernbesessene“ Intendantin einen ebensolchen Regisseur geholt, Olivier Tambosi, dem man in Bregenz bleibende Inszenierungen wie „Hamlet“, „To the lighthouse“ und „Maria de Buenos Aires“ verdankt. Tambosi war persönlich zur Pressekonferenz erschienen und schilderte wort- und gestenreich seine Hintergrund-Recherchen zum Werk, die er seiner Arbeit zugrunde legen will.
Nur schwer gelang es dem eloquenten Festspiel-Pressesprecher Axel Renner als Moderator, Tambosi bei einer Schnaufpause zu unterbrechen und ihn von seinen ausschweifenden Erzählungen auf die Realität des Zeitkorsetts der wartenden Journalisten zurückzuführen. Ungeachtet dessen erfuhr man in der kurzen Zeit, wie spannend sich diese Oper eines „selbstgewählten Outsiders“ anlassen wird, wenn jeder der vier Akte als „Apotheose des Scheiterns“ praktisch in einer Katastrophe endet. Mit den drei zentralen Bühnenfiguren Rigoletto, Nero und dazu Michael Kohlhaas im Schauspiel hat die Intendantin diesen Festspielsommer mit „Besessenheit und Wahn“ als Motto übertitelt.

Was macht Beethoven in Afrika?       

Herausstechend im weiteren Angebot ist die Tatsache, dass die von Klaus Christa initiierten und bisher mehrfach in Vorarlberg gefeierten afrikanischen Bochabela Strings 2020 im Festspielprogramm zu finden sein werden, zum Gedenkjahr des Musikgiganten mit dem Programm „Beethoven goes Africa“ am Kornmarkt. Beethoven findet sich natürlich auch andernorts im Festspielprogramm, etwa mit seiner „Leonoren“-Ouvertüre und dem ersten Klavierkonzert mit Piotr Aderszewski und den Wiener Symphonikern unter ihrem scheidenden Chefdirigenten Philippe Jordan, die sich mit dem dritten Aufzug aus „Siegfried“ auch wieder einer großen Wagner-Oper widmen. Das Symphonieorchester Vorarlberg hat dafür unter seinem neuen Chef Leo McFall die österreichische Erstaufführung der dritten Symphonie von Thomas Larcher („Das Jagdgewehr“ 2019) im Köcher.
Das Kornmarkttheater wird Schauplatz zweier weiterer Produktionen sein. Das Bregenzer Opernstudio geht dort mit Haydns „Armida“ in seine sechste Auflage. Junge Sängerinnen und Sänger erarbeiten in der Regie von Jörg Lichtenstein dieses Werke, für die zugehörige Meisterklasse kehrt nach einjähriger Pause Kammersängerin Brigitte Fassbaender zurück. Und am Kornmarkt gibt es auch eine Uraufführung. Die Auftragskomposition „Impresario Dotcom“ nach Carlo Goldonis 1761 erstmals gezeigter Schauspielkomödie „Der Ijmpresario von Smyrna wird zu einer zeitgenössischen Opera buffa von Komponistin Lubica Cekovska.

Schauspielproduktion mit Premiere in Bregenz

Die Schauspielaufführung mit dem Deutschen Theater Berlin übersiedelt vom Kornmarkt auf die Werkstattbühne, wo Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“ als Koproduktion mit Premiere in Bregenz in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg gezeigt wird. Dort findet am 19. August auch die mit Spannung erwartete Uraufführung der zweiten Produktion des Opernateliers mit der Oper „Wind“ des Bregenzerwälder Komponisten Alexander Moosbrugger statt. Dafür wird die Firma Rieger eigens eine spezielle Orgel für die Werkstattbühne bauen. Vier „Einblicke“ ließen das Publikum an der Entwicklung des Werkes teilnehmen, der nächste ist am 26. November im Kunsthaus Bregenz geplant.
Ein „Rigoletto für Kinder“ soll Ende Mai bereits die Jüngsten auf die Opernproduktion am See einstimmen, darüber hinaus lädt das Jugendprogramm Crossculture erneut zu einem vielfältigen Kreativprogramm rund um die Themen der Festspiele. Ein Wiedersehen gibt es nächstes Jahr mit der heuer gefeierten Musicbanda Franui, diesmal gemeinsam mit dem Puppenspieler Nikolaus Habjan.

Die Bregenzer Festspiele 2020 finden vom 22. Juli bis 23. August statt. Tickets und Informationen unter www.bregenzerfestspiele.com sowie unter Telefon +43 5574 4076.