Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 15. Jul 2012 · Musik

Origano Festival - Marc Ribot Y Los Cubanos Postizos trotzten mit sonniger Musik den Regenschauern

Der Regengott meinte es wieder einmal nicht besonders gut mit dem Origano Festival am Dornbirner Marktplatz. Nach dem Auftakt mit der Emir Yesil & Dolapdere Big Gang aus Istanbul am Donnerstag, war für Freitag eine Latin-Party der besonderen Art mit Marc Ribot Y Los Cubanos Postizos angesagt, ehe am Samstag der legendäre äthiopische Jazzer Mulatu Astatke das Festival beendete. Das unsichere Wetter hielt aber leider viele Musikfreunde von einem Besuch der durchwegs hörenswerten, vom Dornbirner Kulturamtsleiter Roland Jörg programmierten Konzerte ab und ließ nur fallweise so etwas wie eine entspannte Festivalatmosphäre aufkommen.

Marc Ribot – Kubanisches voller Spaß und Leidenschaft interpretiert


Weder die um zweieinhalb Stunden verspätete Ankunft des Flugzeugs und der dadurch im Eilzugtempo kurz vor Konzertbeginn durchgeführte Kurzsoundcheck noch die Windböen und kleineren Regenschauer vermochten die Spielfreude von Marc Ribot und seinen „Krücken-Kubanern“ einzubremsen. Schon in der 1998 gegründeten Urformation – damals noch mit John Medeski an den Keyboards und Roberto J. Rodriguez an den Drums – befand sich nur ein echter Kubaner, in der aktuellen Formation übernimmt sozusagen Drummer Horacio „El Negro“ Hernandez diesen Part.
Dieses Quintett ist sicherlich die massentauglichste Formation des musikalischen Querdenkers und experimentierfreudigen Individualisten an der Gitarre. Mit sichtlichem Spaß und großer Leidenschaft interpretierte Marc Ribot mit seiner erstklassigen New Yorker Downtown-Crew die vorwiegend aus der Feder des legendären Arsenio Rodriguez stammenden kubanischen Songperlen.

Furiose Rhythm Section – nightclub-taugliche Grooves


Perkussionist E. J. Rodriguez und Bassist Brad Jones, beides alte Kumpane Ribots aus „Jazz Passengers“-Tagen, sowie der viel beschäftigte Horacio „El Negro“ Hernandez, der schon für McCoy Tyner, Carlos Santana oder Tito Puente trommelte, bilden eine furiose Rhythm Section. Sie verstehen sich auf gewaltig druckvolles, unglaublich präzises Powerspiel ebenso wie auf gefühlvoll leidenschaftliche Balladenbegleitung, die dem Drummer sogar noch Zeit für allerlei Drumsticks-Artistik lässt.
Auch Anthony Coleman, der in vielen zentralen Projekten von John Zorn eine wichtige Rolle spielte und zu den zentralen Musikern im Spannungsfeld zwischen neuer Musik, Klezmer und Freejazz gehört, stellt seine avantgardistischen Ansätze hintan und entlockt seiner KORG-Orgel nightclub-taugliche Grooves. Mit diesen grandiosen Musikern an der Seite bleibt Marc Ribot viel Raum für seine gitarristischen Expeditionen, die trotz kleinerer Experimente stets stimmig zum swingenden Grundcharakter von Arsenio Rodriguez’ Kompositionen bleiben. Immer wieder sucht er lachend den Augenkontakt zu seinen Mitmusikern – so finden also die experimentierfreudigen Downtown-Cracks ihre musikalische Entspannung. Dieses Konzert hätte sich einen lauen Sommerabend und einen mit Musikfans vollgepfropften Marktplatz verdient.

Origano-Finale mit dem Ethio-Jazz von Mulatu Astatke


Am Samstag hieß es dann „Legende schauen“ mit dem 69-jährigen Äthiopier Mulatu Astatke, der in den 1960er Jahren als erster Afrikaner am Berklee College of Music in Boston studieren durfte. Damals entwickelte er schon seinen speziellen Sound, eine Mischung aus Jazz, äthiopischer Folklore und Latin-Rhythmen, fiel aber nach einem Kurzengagement bei Duke Ellington Anfang der 70er Jahre und der Rückkehr in seine Heimat international in Vergessenheit. Ende der 90er Jahre wurden seine frühen Ethio-Jazz-Platten in Frankreich neu aufgelegt, und Jim Jarmusch katapultierte Mulatu Astatke endgültig wieder ins internationale Rampenlicht, weil er einige seiner Songs als Filmmusik für „Broken Flowers“ verwendete. Auch seine Zusammenarbeit mit den Londoner„Heliocentrics“ und die Tatsache, dass einige prominente HipHopper wie Nas, Kanye West oder Knaan Teile seiner Songs als Samples verwendeten, brachten ihn wieder ins Gespräch. In Dornbirn präsentierte Mulatu Astatke, der sich als Vibraphonist und Perkussionist betätigte, seinen Ethio-Jazz nun mit einer achtköpfigen Band – teilweise interessante Sounds und Kompositionen, mit dem Feuerwerk, das Marc Ribot Y Los Cubanos Postizos am Vorabend abgebrannt hatten, konnte er aber nicht mithalten.