„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Peter Ionian · 24. Jul 2020 · Musik

Mut, Optimismus und Flexibilität - poolbar Festival eröffnet in Corona-Zeiten

Kulturveranstalter leben jedes Jahr mit vielen Unabwägbarkeiten, sind es gewohnt, Risiken einzugehen, müssen immer flexibel und aufmerksam sein und auf aktuelle Situationen reagieren. Aber dieses Jahr erlebte die Kultur bei uns eine Achterbahnfahrt wie noch nie in Friedenszeiten. Mit dem kompletten Herunterfahren unseres gesellschaftlichen und kulturellen Lebens aufgrund der Corona-Pandemie, geschah ein massiver Einschnitt. Am Anfang war das prägende Wort „abgesagt!“. Die allermeisten Kulturveranstalter haben auch trotz der Lockerungen ihren Betrieb nicht wieder aufgenommen. Denn mit den gültigen Abstandsregeln, den notwendigen Sicherheitskonzepten und der unklaren Haftungsfrage, ist für viele das Veranstalten entweder wirtschaftlich nicht tragbar oder rechtlich zu unsicher. Deshalb bleiben die meisten Großveranstaltungen abgesagt. Als eines der wenigen hat sich das poolbar Festival jedoch vorgenommen, trotzdem zu veranstalten und hat dafür das gesamte Veranstaltungskonzept auf die Corona-Sicherheitsbestimmungen ausgerichtet. Gestern Donnerstag, 23. Juli hat das Festival in diesem außergewöhnlichen Jahr eröffnet.

Viele neue Spielregeln

Eine grundlegende Veränderung ist die Verlegung in den Park und damit unter freien Himmel. Der Bereich vor dem Alten Hallenbad im Feldkircher Reichenfeld wurde komplett mit verhängten Bauzäunen eingefriedet. Hinein gelangt man über eine Schleuse, wo auch die Kassen sind. Für das Anstehen wurden Bodenmarkierungen angebracht, um an den Mindestabstand zu erinnern. An den Kassen haben die Bademeister*innen jede Menge Spielregeln des diesjährigen Ablaufs zu kommunizieren. Je nach Gruppengröße wird ein Sitzplatz zugewiesen, für den man gegen Pfand einen beschrifteten Schlüsselanhänger bekommt. Platzanweiser bringen die Gäste dann an die vorgesehen Plätze. Kreise auf dem Boden markieren die Bewegungsspielräume. Während der Konzerte bleibt man an seinem zugewiesenen Platz, außer um zur Toilette zu gehen oder Getränke zu holen. Getanzt wir im eigenen Kreis.
Am ersten Abend war der Ansturm noch nicht allzu groß und deshalb konnte das Festivalteam Erfahrungen sammeln, was funktioniert und was noch verbessert werden kann - Beschilderungen, Abgrenzung der Bühne, Überdachungen. Das ganze Gelände und die Abläufe beweisen dennoch, dass man sich massiv den Kopf zerbrochen hat darüber, wie die Bestimmungen eingehalten werden können. Am Ende des Abends funktioniert das beste System nur so gut, wie die Besucher*innen auch Eigenverantwortung übernehmen. Speziell zu späterer Stunde und mit steigendem Pegel. Zur Zeit ist zudem in der Bevölkerung eine gewisse Maßnahmenmüdigkeit spürbar. Es wird spannend werden, zu beobachten, wie sich das im Laufe der nächsten sechs Festivalwochen entwickeln wird. Das poolbar-Team jedenfalls hat aufgezeigt, dass man auf die Krise und ihre Einschränkungen mit Augenmaß, Vernunft, Flexibilität, Kreativität, aber vor allem auch mit Mut und Optimismus reagieren kann.

Outdoor und Open Air

Das Gelände ist mit viel Holz gestaltet und präsentiert sich durch die systematische und beschriftete Coronabestuhlung streng durchgeplant. In der Dunkelheit wirken die stimmungsvollen Beleuchtungen der Möbel, im Boden und an den Bäumen. Auf der Bühne selbst hängt dafür überraschend wenig Licht. Was auf jeden Fall neu ist, ist die Wetterabhängigkeit. Schon am Eröffnungsabend gab es zwei, drei kurze Regenschauer und nur wenige Überdachungen. Somit flüchteten die Leute in die Eingangsbereiche, zu den Bars und sogar auf die Bühne. Was das gut durchdachte Konzept der fix zugewiesenen Sitzplätze konterkarierte. Das poolbar Festival ist nun also Open-Air-Veranstalter und wird sicher viel Zeit damit verbringen, die Wetterradar-Apps zu studieren und vielleicht auch noch die eine oder andere Überdachung anzubringen. Als Gäste kann man sich ja auf das zu erwartende Wetter vorbereiten, mit Regenmänteln oder Schirmen, wie bei anderen großen Festivals. Wobei am ersten Abend noch nicht klar war, ob und welche Schirme denn überhaupt mit ins Gelände dürfen. Eigene Trinkflaschen und ähnliches mussten jedenfalls draußen gelassen werden, auch wenn sie leer waren. Noch ein Hinweis für alle Hungrigen: Derzeit gibt es keine Essensstände beim poolbar Festival.

Programm regionalisiert

Der Eröffnungsact dieses poolbar Festivals war Nu Jargon. Um 19 Uhr starteten sie ihr Set beschwingt, jazzig und mit einem Lächeln im Gesicht. Die Songs schreibt vorwiegend Adrian Baldauf, der von seinem Gitarrenladen her bekannt sein könnte. Ingrid Bertel bemerkte zum Songwriting, dass er wohl viel Django Reinhardt gehört haben muss. Die Gitarre hat in den Arrangements jedenfalls eine zentrale Rolle, Soloeinlagen wurden mit Szenenapplaus quittiert. Sängerin Kerstin Türtscher schaffte als stilsichere Vokalistin dieses Genres den Spagat zwischen sanfter und starker Präsenz. Während der Soli und Instrumentalparts machte sie Platz für die anderen Musiker von Nu Jargon, Marcello Girardelli am Bass, Jonathan Frick am Piano und Florian Salzinger an den Drums.
Das Programm dieses Sommers wurde grundsätzlich regionaler. Viele geplante Programmpunkte wurden ins nächste Jahr verschoben. Heuer kommen Künstler*innen aus der Region vor den Vorhang, die sonst im Schatten der Headliner stehen. Und das poolbar Festival ist auch viel mehr als nur seine Konzerte: Mit dem Generator und dem Raumfahrtprogramm, mit den zahlreichen Kooperationen, mit unterschiedlichen Kunstgenres und einem umfangreichen Magazin.
Zum Ausklang des ersten Abends legte noch DJ Showbee CDs von den 90ern bis Jetzt und aus allen Richtungen auf. Und wie die poolbar schon ankündigte, war es eher ruhig. Denn das Gelände befindet sich mitten in der Stadt, also beschränkt man sich mit den Dezibel, macht um Mitternacht den Sound aus und hat auch früher Sperrstunde.

Distanziert und hygienisch

Es ist ein kleines Wunder, dass das poolbar Festival überhaupt stattfindet. Und es war bestimmt schon bis hierher ein Kraftakt. Meiner Meinung nach jedenfalls ein Zeichen großen Mutes, „vielleicht auch ein bisschen Naivität“, meinte Herwig Bauer. Nun sind sie die ersten in der Region in dieser Größenordnung, die veranstalten. Alle Augen blicken her. Und der erste Festivalabend hat bewiesen, dass das poolbar-Team Wort halten will. Es wurde darauf geachtet, dass Sicherheits- und Präventionskonzept in Sachen Corona eingehalten wurden. Abstand und Hygiene, bitte! war das Motto. Das hat den Gesamteindruck stark geprägt. Und so verändern sich natürlich auch frühere Grundcharakteristika des Festivals, nämlich ein Treffpunkt für viele Menschen zu sein, wo reger Austausch herrscht und ausgelassen getanzt wird. Die poolbar muss sich, im Gegensatz zu den Vorjahren, heuer noch viel radikaler neu erfinden. Dass sie sich dem stellen, trotz aller Herausforderungen und Unsicherheiten, ist ein leuchtendes Beispiel für Mut, Optimismus und Flexibilität in der Kulturlandschaft. Es sind ihnen viele verständnisvolle, eigenverantwortliche und kulturfördernde Gäste zu wünschen.