„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Gunnar Landsgesell · 24. Jul 2020 ·

Die schönsten Jahre eines Lebens

Claude Lelouch hat über 50 Jahre nach seinem romantischen Filmschlager "Ein Mann und eine Frau" mit Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée eine Wiederbegegnung inszeniert. Mit Filmausschnitten von damals wird dabei nicht gespart.

In gewisser Weise bleibt sich der französische Filmregisseur Claude Lelouch über 50 Jahre nach seinem bekanntesten Film „Ein Mann und eine Frau“ (1966) auch mit dieser Neubearbeitung treu. Damals spielten Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée ein Paar, das sich zufällig traf, aber durch die Erinnerungen an ihre kürzlich verstorbenen Partner zwischen frischen Gefühlen und wiederkehrender Erinnerung in einem Zeitloch gleichsam steckenblieb. In seiner jüngsten Produktion „Die schönsten Jahre eines Lebens“ führt Lelouch beide wieder zusammen. Jean-Louis Duroc (Trintignant), den ehemaligen Rennfahrer, der nun in einem Altersheim von Demenz gezeichnet zwischen wachen und versonnenen Momenten dahintreibt; und Anne Gauthier (Aimée), die muntere Geschäftsfrau, die nun, auf Betreiben von Jean-Louis’ Sohn, in der Geriatrie auftaucht, um die alte Liebschaft vielleicht nochmal ins Hier und Jetzt zurückzuholen. Aber so ganz stimmt das nicht. Denn Lelouchs Projekt ist kein Versuch der Revitalisierung einer Beziehung, sondern das, was bereits im Filmtitel versprochen wird: eine Reprise mit Blick auf die Vergangenheit. Erinnerungen sind diesmal aber nichts, das ein Liebespaar auseinandertreibt, sondern werden im Sinn einer Frischekultur verstanden. In den alten Jean-Louis sollen wieder die Lebensgeister einfahren. Am besten mit den schönsten Jahren seines Lebens.

Keine klassische Fortsetzung 

Die Geschichte, die Lelouch rund um Trintignant, mittlerweile 89 Jahre alt, und Aimée, nur ein Jahr jünger, baut, wirkt wie eine sonnige Version light von Filmen wie Michael Hanekes „Amour“ (ebenfalls mit Trintignant), in denen es um das Altern, die Reflexion des Lebens und die Perspektiven geht, die man sich selbst zuzusprechen bereit ist. Lelouch ist allerdings nur bedingt an der Exploration des körperlichen und geistigen Verfalls interessiert, für ihn ist das vielmehr die Matrix für jene reichlich ausgefallenen Rückblicke, in denen er auf das Material seines eigenen Films „Ein Mann und eine Frau“ zurückgreift. Auf wolkige Weise füllt er die Begegnung zwischen Abtasten und Rendezvous und leisem Humor der beiden mit dem auf, was einmal war: die Tage am Strand von Deauville, die Zeit im nahegelegenen Hotel, eine Romanze, die sich hier unter anderen Vorzeichen wieder zusammensetzt. Manchmal baut Lelouch auch ein paar Irrgedanken für das Publikum ein. Ein gemeinsamer Ausflug mit einer „Ente“ an den Strand ist dann vielleicht doch nur eine Fantasie des ehemaligen Playboys und Rennfahrers. Das Spiel Trintignants ermöglicht dabei immer wieder einige Interpretationen. Wie sehr seine Figur in der Realität verankert ist und ob er seine Partnerin nicht sofort erkennt und nur ein kleines Spielchen treibt, bleibt zu ergründen. Während Lelouch Trintignant vor allem über seine Stimme zu inszenieren versuchte, wie er in einem Interview meinte, kann er bei Aimée ganz auf deren Präsenz setzen. Ihr Gesicht ist eine weit stärkere Projektionsfläche nicht nur für das, was ist und war, sondern eben das, was sein hätte können. Als klassische Fortsetzung von "Ein Mann und eine Frau" geht  "Die schönsten Jahre eines Lebens" aber eher nicht durch. Nicht nur, weil Lelouch schon vor 20 Jahren eine Fortsetzung inszeniert hatte, die beim Publikum aber nicht auf das erhoffte Interesse stieß. Sondern auch, weil sich das zwischenmontierte Filmmaterial von damals mit den Szenen von heute eher wie die Begegnung zweier Epochen ausnimmt, die noch einmal gegenübergestellt werden.