Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Walter Gasperi · 23. Jul 2020 · Film

Aktuell in den Filmclubs (24.7. - 30.7. 2020)

In der Kinothek Lustenau steht diese Woche Robert Eggers´ fulminantes Psychodrama "The Lighthouse" auf dem Programm. Einblick in kapitalistische Arbeitsweisen bietet dagegen Sabine Boss in ihrem packenden Drama "Jagdzeit", das beim Open Air in Altstätten gezeigt wird.

The Lighthouse: Ende des 19. Jahrhunderts müssen sich zwei Männer auf einer einsamen Insel um einen Leuchtturm kümmern. Robert Eggers entwickelt daraus mit den beiden großartigen Hauptdarstellern Willem Dafoe und Robert Pattinson einen atemberaubenden Mix aus Psychodrama und Albtraum.
Die düsteren Schwarzweißbilder und das enge, fast quadratische 1.19:1-Format erzeugen von Anfang an eine beunruhigende Atmosphäre. Verstärkt wird diese noch durch die Dialoge, für die ausschließlich historische Texte aus dem 19. Jahrhundert wie Logbücher von Leuchtturmwärtern oder Passagen aus dem Werk von Herman Melville verwendet wurden. So schmutzig und rau wie das Ambiente ist, sind auch die Charaktere. Während Dafoe als bärbeißiger alter und erfahrener Leuchtturmwärter hemmungslos furzt und rülpst, weht der Wind seinem Lehrling die Fäkalien, die er entsorgen muss, ins Gesicht.
Als alte Seemannsgeschichte präsentiert sich dieses Kammerspiel auch durch die detailreiche Ausstattung und das konsequent für Beunruhigung sorgende Sounddesign von Mark Corven, bei dem vor allem das immer wieder dumpf brummende Nebelhorn des Leuchtturms haften bleibt.
Das ist mit solcher Konsequenz und Rohheit inszeniert, dass ein atmosphärisch ungemein dichter, bildmächtiger, intensiv gespielter und verstörender Film entstanden ist, in dem auch das Toben des Sturmes und das Tosen des Meeres kongenial mit der Konfrontation der beiden Männer korrespondiert und das Archaische dieses Kampfes verstärkt.
Kinothek Lustenau: Di 28.7., 20 Uhr + Mi 29.7., 18 Uhr

 

Jagdzeit: Ganz für die Firma lebt der Finanzchef (Stefan Kurt) eines Schweizer Autozulieferers. Seine Arbeitswut zerstörte schon seine Ehe, für seinen Sohn hat er nie Zeit. Die kalte Designer-Wohnung vermittelt ebenso wie das kalte Firmengebäude dieses emotionslose Leben.
Als ein neuer Manager eingestellt wird, steht er zunächst loyal hinter dem mit Ulrich Tukur ideal besetzt Macher, der sich jovial gibt, aber auch zeigt, dass er keine Widerrede duldet. Als dieser mit unüberlegten Aktionen das angeschlagene Unternehmen aber in den Untergang zu stürzen droht, geht der Finanzchef zunehmend auf Distanz zum Manager, doch gleichzeitig führt der Druck auch zunehmend zu psychosomatischen Störungen, bis er nur noch einen Ausweg sieht, um gegen die Maßnahmen des Chefs zu protestieren.
Detailreich bietet Sabine Boss Einblick in kapitalistische Arbeitswelten und Arbeitsweisen, vergleicht das Agieren des Managers mit seiner Jagdlust und das Verhältnis von Manager und Angestellten mit dem Verhältnis zwischen Samurai und Fürst im japanischen Mittelalter.
Gleichzeitig stellt die Regisseurin diesem rücksichtslosen Wirtschaften, das nur auf Boni des Vorstandsrates abzielt, den Wert des Menschen gegenüber und fragt mit Blick auf die zerbrochene Familie des Finanzchefs, was letztlich wesentlich ist. Wie am Reißbrett ist freilich das dicht geschnürte Drehbuch entworfen, lässt keinen Raum für Brüche und Ambivalenzen, packt aber durch die stringente Erzählweise und die starke Besetzung.
Open Air: Sportplatz Altstätten: Di 28.7., 21.30 Uhr


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