Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 16. Jän 2011 · Musik

Musikalischer Fluss und durchbrochene Linien - Das Symphonieorchester glänzte mit guten Solisten, überzeugte mit einer Uraufführung von Michael Amann und versagte in der Musikvermittlung

Zwei unbekannte Werke von Mozart, eine neue Komposition von Michael Amann und das Divertimento für Streichorchester von Béla Bartók präsentierte das Symphonieorchester Vorarlberg im aktuellen Abonnementkonzert. Das Publikum in Hittisau bejubelte vor allem die Solisten Eugen Bertel, Heidrun Pflüger, Allen Smith und Zoltan Holb. Konzentriert wurden die „Broken Lines“ von Michael Amann aufgenommen. Vor allem mit diesem Werk und Bartóks Divertimento stellten das SOV und Gérard Korsten ihre Vielseitigkeit unter Beweis.

Die Sinfonie Nr. 22 von Wolfgang Amadeus Mozart verströmte Elan und stellte hohe Anforderungen an die OrchestermusikerInnen, weil die Motivgestalten von einem rhetorischen Geist getragen sind. Gérard Korsten führte die MusikerInnen mit ausdrucksstarker Gestik. In den Ecksätzen folgten sie ihm zwar mit Spannkraft, jedoch mit zurückhaltenden Artikulationsmustern. Vor allem der Glanz der Oboen und die dynamische Ausgestaltung der melodisch weit gefassten Linien zeichneten das Andantino grazioso aus.

Jeder für sich und alle gemeinsam

Es ist immer ein besonderes Ereignis, wenn MusikerInnen aus den Reihen des SOV als Solisten auftreten. Mozarts Sinfonia Concertante für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Orchester in Es-Dur erschien dem Bläserquartett Eugen Bertel (Flöte), Heidrun Pflüger (Oboe), Allen Smith (Fagott) und Zoltan Holb (Horn) als ideale Komposition, um ihre musikalische Meisterschaft unter Beweis zu stellen. Mit ihrer hervorragend aufeinander abgestimmten Spielart zogen sie das Publikum in ihren Bann. Die individuellen Rollen der Solisten zueinander und das Verhältnis zum Orchester wurden beziehungsreich nachvollziehbar. Hervorragend erklang die Kadenz, in der das Bläserquartett in einem bewundernswerten Austausch miteinander musizierte. Jeder war präsent und bekam den erforderlichen Entfaltungsraum. Vielgestaltige Phrasierungsbögen und detaillierte Artikulationen zeichneten den langsamen Mittelteil aus, bevor im abschließenden Variationssatz noch einmal das Spiel miteinander und unterschiedlichsten Spielarten mit dem Orchester unterhaltsam entfaltet wurden.

Das Hören auf den Moment ausgerichtet

Nach dem ersten Konzertpart wurde das Auftragswerk „Broken Lines“ von Michael Amann präsentiert. Der in Wien lebende Komponist stammt aus Rankweil. In den vergangenen Jahren profilierte er sich als Komponist, so dass namhafte Ensembles wie das Radiosymphonieorchester Wien, die Ensembles „die reihe“ und „Kontrapunkte“ seine Werke spielten. Für das SOV hat Michael Amann ein Werk komponiert, das die Hörperspektive auf den Moment und die unmittelbar danach folgenden Zeitabschnitte ausrichtete. Jeweils neue Klangereignisse und ihr auskomponiertes Nachschwingen sowie der allmähliche Aufbau zu einem prägnanten Schallereignis hin lenkten die Aufmerksamkeit. Kristalline Klänge und fein ziselierte Abschnitte, Umspielungen sowie feinsinnige Klangfarbenspiele ergaben nuancenreich ausgestaltete musikalische Felder. Nach einer starken Einleitungspassage folgte ein etwas zu wenig prägnant ausformulierter Abschnitt. Doch im weiteren Verlauf richtete der Komponist den Fokus auf das Verebben und Verklingen einzelner Phrasen und schuf damit eine innere Spannung, die sich unter anderem im Verhältnis zwischen den Klangereignissen, grundierenden Linien, Geräuschen und der Stille widerspiegelte.

Vergebene Chance

Ich nehme an, dass die meisten KonzertbesucherInnen wenig Hörerfahrung mit derart avancierter Musik haben. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass die Zuhörenden die spezifische Aussagekraft dieser Musik von vornherein und ohne weiteres verstehen. Doch von Seiten der Verantwortlichen des SOV kam man den interessierten ZuhörerInnen nicht entgegen. Michael Amann war von Wien angereist. Wer ihn kennt weiß, dass er etwas zu sagen hat, und es wäre für die KonzertbesucherInnen wohl interessant gewesen, etwas über die Denkwelt des Komponisten und sein aktuelles Werk zu erfahren. Im Interesse für das Verständnis neuer, weithin unbekannter Aussagewerte innerhalb der zeitgenössischen Musik ist diese lasche Einstellung gegenüber der Musikvermittlung eine vertane Chance und ärgerlich zugleich. Erfreulich war die durchdachte und präzise Vorbereitung des Dirigenten und des Orchesters, so dass eine gültige Uraufführung geliefert wurde.

Leidenschaftlich bewegt

Mit dem Divertimento für Streichorchester von Béla Bartók ging ein langer Konzertabend zu Ende. Gleich im Eröffnungssatz stellte sich der notwendige Groove ein. Die impulsive Spielart und die intensive Linienführung bewirkten eine atmende Rhythmisierung und treffende Schwerpunktsetzungen. Vor allem im Molto adagio entfaltete sich eine schön ausbalancierte Klangatmosphäre. Gérard Korsten führte das Orchester enthusiastisch. So entwickelte sich ein kraftvoll wogendes musikalisches Ganzes.