Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 04. Dez 2011 · Musik

Musik, die die Ohren und den Geist anspricht – das „Concerto Stella Matutina“ ist auf Erfolgskurs

Das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ zeigt auf beeindruckende Weise, dass eine kluge Programmkonzeption und die Zusammenarbeit mit renommierten Musikerfreunden zu musikalischen Höhenflügen führt. Unter dem Motto „Der zerstreute Professor“ wurden musikalisch anregende Raritäten dargeboten. Im Mittelpunkt stand Johannes Hämmerle. Er interpretierte das Konzert für Cembalo und Streicher von Joseph Riepel mit bewundernswerter musikalischer Stringenz und Brillanz.

Schon seit einigen Jahren laden die MusikerInnen des Barockorchesters „Concerto Stella Matutina“ Persönlichkeiten zur Zusammenarbeit ein, die sie in ihrem musikalischen Wirken und Tun unterstützen und neue Wege aufzeigen. Im Rahmen des aktuellen Konzertes arbeiteten sie mit dem Bratschisten Kai Köpp zusammen. Der Bratschist hat sich als Musiker und Musikwissenschafter international einen Namen gemacht, denn er befasst sich seit Jahren mit der historischen Aufführungspraxis. Seit kurzem hat er eine Professur für „Angewandte Interpretationsforschung“ an der Hochschule der Künste Bern. Mit dem „Handbuch der Orchesterpraxis“ hat er ein Werk vorgelegt, das inzwischen zum Standard der Musizierpraxis zählt.

Musik von Musikern und Theoretikern

Die MusikerInnen von „Concerto Stella Matutina“ sind begeisterungsfähig und offen für außergewöhnliche Inhalte. Im vierten Abokonzert widmeten sie sich unter der Leitung von Kai Köpp Werken der berühmten Musiktheoretiker Joseph Riepel und Heinrich Christoph Koch. Neben Riepels „Anfangsgründe der Setzkunst“ sind vor allem Kochs „Versuch einer Anleitung zur Composition“ sowie sein „Musikalisches Lexikon“ Referenzwerke zur Musiktheorie.
Beide sind als Theoretiker in die Musikgeschichte eingegangen. Ihre Kompositionen sind vergessen. Doch nun waren Sinfonien und ein Konzert zu hören, einmalige Gelegenheiten und höchst spannend, teilweise auch amüsant. Koch hatte nicht mit Kritik an der Kompositionsart seines Zeitgenossen Joseph Haydn gespart. Im Vergleich mit dem Großen kamen jedoch Kochs Kompositionen ziemlich blass daher.

Ein Musiker mit besonderer Strahlkraft

Den Höhepunkt des Abends bildete Joseph Riepels Konzert in C-Dur (RWV 19), mit Johannes Hämmerle als Solisten. Die präzise Artikulation gleich von Beginn an verlieh dem Eröffnungssatz einen federnden Duktus, in den die verzierten und mit Vorschlägen versehenen Läufe mit souveräner Leichtigkeit hineingesetzt wurden. Schön ausbalanciert gab Johannes Hämmerle jedem Ton sein eigenes Gewicht und stellte eine mitreißend schlüssige Interpretation in den Raum. Lieblich wirkte der Dialog mit der Violine im Andante.

Spannung, Humor und Präzision

Die Wechsel der Tonartenfarben und Lichtverhältnisse zwischen Dur und Moll führten in einen Schwebezustand, der durch den zurückhaltend agierenden Basso continuo angenehm verstärkt wurde. Die Variationen im Finalsatz wirkten spannend und humorvoll, beispielweise die Arpeggi und die tremolierende Aufspaltung der Töne. Gegenläufige Linien sorgten für Bewegung. Spezielle Klangwirkungen zwischen dem Cembalo und den Streichern sowie Registerwechsel ergaben eine wirkungsvolle Strahlkraft. Virtuos und präzise wie ein Uhrwerk spielte Johannes Hämmerle die mitreißende Kadenz.

Wirkungsvolle Werke

Die Sinfonien Nr. 1 und Nr. 4 gaben Einblicke in die kompositorische Welt des Heinrich Christoph Koch. Vor allem wirkungsvoll, mit Pauken und Trompeten, setzte er die erste Sinfonie, die vom Orchester rhythmusbetont musiziert wurde. Die Seufzermotive mit starken Leittönen rückten im Andante die Tonartencharaktere in den Vordergrund. Raumgreifende Gesten und die farbige Instrumentation zeichneten den Finalsatz aus. In der vierten Sinfonie ließen die chromatischen Übergänge aufhorchen. Eine idyllische Melodie mit Begleitung erklang im Larghetto, bevor im Menuett ein pastoraler Grundton angestimmt wurde. Vor allem im dritten und vierten Satz hatten die Hörner eine exponierte Stellung mit schwierigen Passagen, sie wirkten mitunter in ihrer Spielart zu dominant.

Das Unikum Haydn

Beste musikalische Unterhaltung bot das „Concerto Stella Matutina" mit der Sinfonie Nr. 60 „Il Distratto“ von Joseph Haydn. Der Erzählfluss dieser Schauspielmusik stellte die MusikerInnen unterhaltsam in den Vordergrund, so dass, wie Kai Köpp es nannte, eine „Komödie ohne Worte“ erlebbar wurde.