Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 05. Mai 2012 · Musik

Musik, die aus dem Leben gegriffen ist – vor allem die Cellistin Sol Gabetta faszinierte

Beim letzten Bregenzer Meisterkonzert dieser Saison musizierte das BBC Philharmonic aus Großbritannien unter der Leitung von Juanjo Mena. Im Mittelpunkt stand die hinreißende Cellistin Sol Gabetta mit ihrer Deutung des ersten Cellokonzertes von Dmitri Schostakowitsch. Die vielschichtigen Verwandlungsprozesse in Mahlers Symphonie Nr. 5 stellte das Orchester zwar plastisch dar, allerdings kristallisierten sich die musikalisch sinnstiftenden Details nicht durchwegs heraus.

Sol Gabetta betrat die Bühne im Bregenzer Festspielhaus und faszinierte sogleich mit ihrer im positiven Sinn quirligen Art. So stellte sie selbstbewusst das charakteristische Viertonmotiv, das Dmitri Schostakowitsch im ersten Cellokonzert so dominant in Szene setzte, in den Raum. Nuanciert in der Farbgebung jedes einzelnen Tones und mit Nachruck spielte sie die zahlreichen motivischen Wiederholungen. Bemerkenswert war dabei Sol Gabettas Freude an den perkussiven Elementen, denn die schwungvoll hingesetzten Töne mit hohem Geräuschanteil belebten die Musik. Vor allem in diesen Passagen wurde deutlich, dass die Cellistin ihre beeindruckende Technik auch aus den Spielarten der zeitgenössischen Musik schöpft und damit maßgeblich bereichert. Mit inniger Zurückhaltung sang Sol Gabetta mit ihrem Cello das Lamento im langsamen Satz. Den Höhepunkt bildete die Solokadenz im Finalsatz, in dem die musikalische und technische Meisterschaft voll zum Ausdruck kam. Irrwitzig gesteigerte Tempi und atemberaubend vorwärtstreibende Passagen machten die Interpretation zum Ereignis.

Im Dialog

Das Orchester war Sol Gabetta ein guter Partner und zahlreiche anregende musikalische Dialoge wurden geführt. Durch die ausgeklügelte Stimmführung stellten sich darüber hinaus plastische Perspektivenwechsel ein. Nachhaltig in Erinnerung blieb beispielsweise eine Passage im langsamen Mittelteil. Dort wurde die bedrückende Stimmung verstärkt, indem das Orchester die Solostimme immer mehr „bedrängte", bis sie sich energisch aus diesem Bann befreite. So wurden die Enge des musikalischen Raumes und der daraus folgende suchende Gestus der Musik eindringlich dargestellt.

Unterschiedliche Hörebenen

Die fünfte Symphonie von Gustav Mahler ist ein komplexes musikalisches Gefüge, das an den riesigen Orchesterapparat und den Dirigenten enorme Anforderungen stellt. Mahler fügte unzählige Idiome und unterschiedliche musikalische Stiltypen zusammen und demontierte diese wieder. Dieser Verwandlungsprozess durchzieht das gesamte Werk.

In der Werkdeutung der BBC Philharmonic gelang zwar die fortlaufende Darstellung und Verwandlung, allerdings fehlte etwas die in sich zusammenfügende Kraft der Detaildarstellungen. Dies lag zu einem gewissen Teil auch am Dirigat von Juanjo Mena. Denn er konzentrierte sich weitgehend auf die Streicher, so dass die Bläser über weite Strecken auf sich allein gestellt agierten. Im dritten Satz wurden die vorgegebenen Bilder allzu sehr ins Idyllische gekehrt und wirkten mitunter sogar missverständlich. Die OrchestermusikerInnen spielten auf sehr hohem Niveau, herausragende Soli stellten die Qualitäten unter Beweis. Und das berühmte Adagietto wurde in einem ausgewogenen Gesamtklang mit dynamisch schwebenden Klangwirkungen ausgebreitet. Selbstverständlich verfehlte auch hier der hymnisch gesteigerte Schluss seine überhöhende Wirkung nicht.