Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Anita Grüneis · 31. Mai 2018 · Musik

"Maria Stuarda" im Vaduzersaal: Zwei Frauen - hoch oben gefangen - und viel Belcanto

Einen berauschenden Opernabend bescherte das Luzerner Theater dem Publikum im Vaduzersaal. Es gastierte im Rahmen der TAK Vaduzer Weltklassik Konzerte mit einer semiszenische Aufführung der Donizetti Oper „Maria Stuarda“. Der Belcanto, der schöne Gesang, steht im Mittelpunkt dieser Oper und er stand im Mittelpunkt dieser Aufführung.

Regisseurin Friederike Schubert ließ alles Unnötige weg. Bühnenbild? Wozu? Es reichten zwei „Türme“, um die beiden Königinnen zu platzieren. Kostüme? Muss auch nicht sein, und wenn, dann mit Funktion. Aber nur bei den Damen, die Herren und der Chor erschienen in schwarzen Anzügen. Maria Stuart ist die Lady in Red, Königin Elisabeth hat das Rot nur in den Haaren und ist ansonsten stofflich etwas königlicher ausgestattet. Orchestergraben? Braucht es nicht, das Orchester saß mit dem Dirigenten auf der Bühne und stärkte den SängerInnen den Rücken. So einfach diese Inszenierung „gestrickt“ war, so raffiniert war sie in den Details. Das Wichtigste aber war die Musik – aller Raum gehörte dem schönen Gesang, respektive den schönen Stimmen. Und davon gab es wahrlich genug.

Zwei Gefangene in ihren hohen Türmen

Nahezu luftig, leicht und frisch begann das Orchester unter der Leitung von Rolando Garza Rodríguez mit der Ouvertüre. Maria Stuarda stand leicht nervös in ihrem hohen Käfig-Kerker, während ihre Rivalin, Königin Elisabetta, würdevoll die Gangway zu ihrem Hochsitz hinaufstieg. Von oben klagte sie dann, dass sie heiraten soll, wodurch ihr die Freiheit genommen wird. Von unten drängelte Cecil, Baron von Burleigh und verlangte den Tod von Maria Stuarda. Da nahte Leicester, der Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes zwischen diesen beiden Frauen steht und so positionierte er sich denn auch in der Mitte der beiden Türme. Seine Bitte um Gnade für die geliebte Maria erzürnte die bis dahin sanfte Königin, trotzdem gab sie seiner Bitte nach, traf sich mit Maria und wurde von dieser als Bastard beschimpft. Damit war das Todesurteil für die Stuarda gefällt.

Wenn sich alles ändert

Und so wechselten die beiden Damen während der Pause die Türme. Maria stand jetzt auf jenem mit der Gangway, Elisabetta war die Gefangene. So einfach zeigte die Regisseurin Friederike Schubert die Entwicklung dieser beiden Frauen. Maria ging dem Tod und damit ihrer Freiheit entgegen, Elisabetta war nun die Gefangene ihrer eigenen Entscheidungen. Ob Heirat oder Todesurteil – ihre Freiheit war dahin. Zornig und zugleich verzweifelt riss sie sich die Perücke vom Kopf, und während sich Maria stimmungsreich von der Welt verabschiedete und ihre Sünden beichtete, löste Elisabetta sukzessive ihre Haare, entfernte allen Zierrat ihrer Kleidung und öffnete langsam ihr eng geschnürtes Kleid. Sie brauchte Luft, während Maria die Luft genommen wurde.

Große Stimmen und große Gefühle

Die Regisseurin konnte sich bei diesem Drama der starken Frauen nicht nur auf die schauspielerische Kunst der beiden Sopranistinnen verlassen, sondern vor allem auf ihre überragenden Stimmen. Rebecca Krinksy Cox war eine Elisabetta mit einem beeindruckenden Stimmumfang. Mit vielen Zwischentönen war sie Königin und verschmähte Geliebte zugleich, führte ihre Stimme sicher und mühelos über alle Fallstricke. Ihr ebenbürtig die Maria Stuarda von Diana Schnürpel – eine Königin des Tages und der Nacht, mit einer weichen Stimmfarbe und einem geschmeidigen Sopran, der dahinzuströmen schien und dabei zielsicher alle atemberaubenden Koloraturen traf. Graf Leicester wurde von Denzil Delaere mit strahlendem und noch sehr jungen Heldentenor ausgestattet, manchmal fehlte es ihm etwas an Innigkeit. Diese zeigte hingegen der kraftvolle Bariton von Bernt Ola Volungholen als Talbot. Bassist Jason Cox überzeugte als Cecil mit einer wunderbar voluminösen Stimme, Sarah Alexandra Hudarew gab eine sanfte Dienerin Anna.
Das Luzerner Sinfonieorchester unter der Leitung von Rolando Garza Rodriguez war Teil der Inszenierung und setzte dennoch Akzente. So wurde der Abend zum Hohelied des schönen Gesangs, bei dem es schon mal passierte, dass zwei Stimmen miteinander „löffelten“, sich so ineinander schmiegten, dass sie zu verschmelzen schienen.