Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 15. Jul 2022 · Musik

Lieben und Leben im tiefen Strom der Zeit – Jubel für Andrè Schuen und Daniel Heide bei der Schubertiade Hohenems

Mit den fünfzehn Romanzen „Die schöne Magelone“ von Johannes Brahms führten Andrè Schuen und Daniel Heide die Zuhörenden im Hohenemser Markus-Sittikus-Saal in die romantisch verklärte mittelalterliche Welt eines Ritters und seiner Geliebten. Gemeinsam hoben der Bariton und der Pianist die Brahms-Vertonungen von intimen Strophen und durchkomponierten Liedern bis in die Höhe konzertant ausgestalteter Opernszenen und zogen mit ihrer Werkdeutung die Konzertbesucher:innen vom ersten bis zum letzten Ton in ihren Bann.

Seit jeher diskutieren Musikwissenschaftler:innen die Frage, ob „Die schöne Magelone“, op. 33 nach Texten von Ludwig Tieck als Liederzyklus zu verstehen sei oder die von Brahms komponierten Romanzen, Tiecks Texte „lediglich“ musikalisch überhöhen sollen. Andrè Schuen und Daniel Heide stellten in ihrer Darbietung die Musik ganz in den Vordergrund und präsentierten die Romanzen in zyklischer Form ohne Pause. Die Handlung der Geschichte von Peter, Magelone sowie Sulima war im Programmheft nachzulesen. Auf einen Erzähltext, wie er auf zahlreichen Alben oder bei Aufführungen mitunter geboten wird, wurde verzichtet. Andrè Schuen und Daniel Heide konnten sich diese Form der Darbietung leisten, weil sie über eine mitreißende musikalische Aussagekraft und die notwendige Kondition verfügten.
Die Kraft des Baritons und die differenzierte Ausgestaltung der Texte fesselten die aufmerksam zuhörenden Konzertbesucher:innen im Markus-Sittikus-Saal. Mit unterschiedlichsten stimmlichen Nuancierungen sowie einer atemberaubenden Pianokultur über alle Register hinweg formte Andrè Schuen jede einzelne Romanze und erfüllte sie mit Leben. So kamen die Emotionen und die lyrischen Situations- und Landschaftsschilderungen und deren romantische Symbolik hervorragend zur Geltung. Auf kleinem Raum öffnete sich eine opernhafte Szenerie, die die Fantasie anregte. Neben der atemberaubenden Darbietungskunst verstärkte auch die authentische Ausstrahlung des Sängers die Tiefe der musikalischen Aussage.
Viel gäbe es über jede einzelne Romanze zu berichten, beispielsweise über die aufbrausende Geste, mit der Andrè Schuen die Zuhörenden bereits im ersten Lied „Keinen hat es noch gereut, der das Roß bestiegen“ mitten hinein ins Geschehen führte. Die von Brahms so inspiriert vertonte Textsymbolik in der zweiten Romanze „Traun! Bogen und Pfeil sind gut für den Feind“ zeichnete der Bariton detailliert nach. Auffallend differenzierte der Sänger auch die zahlreichen Fragen, die sich die Protagonist:innen in den Texten stellten. Im freudvoll dargebotenen Stück „Wie soll ich die Freude, die Wonne denn tragen?“ begeisterten vor allen die Gewichtungen und der sich ständig erweiternde Ambitus. Die vieldeutigen Gegensätze im Text „Wir müssen uns trennen, geliebtes Saitenspiel“ lotete Andrè Schuen hervorragend aus. Ebenso dicht ausgestaltet, erklangen die betonten Silben in der vielschichtig komponierten Romanze „So tönet denn, schäumende Wellen“. Die Licht- und Schattenverhältnisse in „Muss es eine Trennung geben, die das getreue Herz zerbricht?“ sang Andrè Schuen mit einer fantastisch nuancierten Farbgebung. Große Phrasierungsbögen zeichneten „Wie froh und frisch mein Sinn sich hebt“ aus, wo der musikalische Duktus opernhaft gesteigert wurde und mit „Treue Liebe dauert lange“ einen hymnischen Abschluss mit Botschaftscharakter fand.

Inspirierter und inspirierender Partner am Klavier

Brahms legte den fünfzehn Romanzen einen überaus vielgestaltigen Klavierpart zugrunde, der den einzelnen Stücken auch orchestrale Strahlkraft verleiht. Die vielgestaltig textdeutenden Passagen, mit ausgeklügelten rhythmischen Ausstaffierungen und einem eng verflochtenen motivisch-thematischen Gewebe, modellierte Daniel Heide plastisch und mit viel Bedacht auch auf kleine Gesten. So kamen die harmonischen Farben, zahlreiche charakteristische Intervalle und unterschiedlichste stilistische Idiome hervorragend zur Geltung. Zudem verlieh die bewundernswert präzise Kongruenz mit dem Bariton den Kompositionen ein starkes Profil.

www.andreschuen.at
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