Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 15. Jul 2022 · Film

Vier Wände für Zwei

Eine kühl agierende Managerin in Sevilla investiert in eine Eigentumswohnung, in der noch eine Frau wohnt, die nicht vorhat, schon bald zu versterben. Eine Dramedy, wie wir den Sarkasmus unserer Gesellschaft vielleicht aufbrechen können.

Eine Wohnung in Sevilla zu kaufen, in der noch die Eigentümerin wohnt, stellt für die kühl berechnende Managerin Sara (Juana Acosta) kein Problem dar. Ein Problem wäre es nur, wenn die ältere Frau namens Lola (Kiti Manver) nicht innerhalb von zwei Jahren stirbt. Dann wäre ihre Investition ein Fehlkauf. „Vier Wände für Zwei“ (Original: „El inconveniente“) ist eine spanische Dramedy, die man sich ungefähr als das Gegenteil US-amerikanischer Komödien vorstellen muss. Hier lösen Witze nicht schallendes Gelächter aus, sondern dienen einer Art beklemmender Wahrheitsfindung oder sind einfach nur Teil sarkastischer Wortduelle. Denn die Wahrheit hinter diesen beiden Figuren zu ergründen, ist die eigentliche Mission dieses Films.

Wie es gehen könnte

Entstanden auf Basis des Theaterstücks „100 m2“ des spanischen Autors Juan Carlos Rubios treffen hier zwei Frauen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hier die beinharte Managerin Sara, die soziale Beziehungen als erweiterte Form ihrer Geschäfte versteht: als Profitmaximierung ohne emotionale Einlassung. Dort die Pensionistin Lola, die es lieber gemütlich angeht und ihr Leben mit einer Prise Sarkasmus meistert. Regisseur Bernabé Rico bringt diese zwei scheinbar gefestigten Persönlichkeiten rasch in Stellung und bezieht aus deren wechselseitigem Unverständnis einiges an komischem Potenzial. Bitterböse Untertöne sind dabei Teil jeglicher Konversation. Die fehlende Moral eines Investorenmilieus, das Bewohnerinnen als „lebendes Inventar“ versteht, das so wie alte Kästen und Teppiche möglichst bald aus der Wohnung geschafft werden soll, wird dabei in der Person von Sara immer wieder zur Zielscheibe. „Vier Wände für Zwei“ versteht sich aber weniger als soziale Abrechnung im Stil eines Ken Loach, sondern gibt der schrulligen Außenseiterfigur Lola das Heft in die Hand, um für neue Sichtweisen zu sorgen. Wenn Lola mit einem kleinen Trick Sara in ein Bestattungsgeschäft lockt, um dort in einem Sarg Probe zu liegen, während die zunehmend verunsicherte Managerin genötigt wird, eine von Lola vorbereitete Grabrede vorzulesen, dann werden die bisherigen Machtverhältnisse auf groteske Weise brüchig. Lebenslügen werden gebeichtet und der neue Humanismus, der die Freundschaft der zwei anfänglichen Antagonistinnen schließlich durchströmt, wird zur Botschaft des Films. Verlogen wirkt „Vier Wände für Zwei“ deshalb nicht, eher auf eine nette Weise engagiert: es heißt, den Stecken im Hintern zu entfernen, um sich selbst ein bisschen lockerer und ehrlicher zu begegnen. Dann geht es auch im Kontakt mit den anderen ein bisschen besser. Dass das so kommen wird, hat man im Film zumindest schon geahnt.