Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 09. Aug 2016 · Musik

Krasse kompositorische Gegensätze und mitten drin ein herausragender Dirigent – Das dritte Orchesterkonzert war ein großes Ereignis

Beim dritten Orchesterkonzert im Rahmen der Bregenzer Festspiele wurde der Blick nach Italien gelenkt. Eine Ouvertüre von Verdi und ein Requiem von Donizetti begeisterten mit üppigen Melodienreigen das Publikum. Offene Ohren und Freude am Entdecken von Ungewohntem forderte Franco Donatonis Werk „Duo pour Bruno“ ein. Der Dirigent Enrique Mazzola faszinierte mit seiner stilistischen Sicherheit und Dirigierhaltung. Im Zusammenwirken mit dem Prager Philharmonischen Chor und dem Bregenzer Festspielchor sowie fünf Gesangssolisten überzeugten die Wiener Symphoniker mit ihrem abgerundeten Klang und ihrer Flexibitlät, denn auch Donatonis Komposition aus dem Jahr 1974 spielten die Musikerinnen und Musiker hervorragend.

Die einleitend offerierte Ouvertüre „La forza del destino“ von Giuseppe Verdi bildete einen guten Auftakt für zwei nachfolgende Kompositionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite war ein Requiem mit einer großen Melodienseligkeit - Belcanto im besten Sinne des Wortes - zu hören. Auf der anderen Seite erklang die beim ersten Höreindruck für manche vielleicht eher spröde, jedoch spannungsgeladen interpretierte Komposition von Franco Donatoni. Besonders diese Werkdeutung zeichnete das dritte Orchesterkonzert aus, weil wieder eine echte Rarität geboten wurde, die sonst hierzulande nicht zu erleben ist.

Kommunikativer Dirigent


Enrique Mazzola zeigte von Beginn an sein besonderes Format. Mit seiner emotional aufgeladenen Körpersprache und Gestik kommunizierte der Dirigent exakt und elegant mit den Musikerinnen und Musikern. Als er sich in einer kurzen Umbaupause an das Publikum wandte und seine Gedanken zu Franco Donatonis Werk „Duo pour Bruno“ erläuterte, war der Bann zwischen Publikum und Bühne endgültig gebrochen. Mit klugen Worten bettete der Dirigent das Werk, das Donatoni in Erinnerung an seinen Komponistenfreund Bruno Maderna komponiert hatte, in den gesellschaftspolitischen Kontext Mitte der 1970er-Jahre ein.

Dichte musikalische Aussage


Dass Enrique Mazzola auch in der Aufführung von zeitgenössischer Musik versiert ist, gab dem Orchester Sicherheit. So entwickelte sich eine hervorragende Werkdeutung, die das komplexe kompositorische Geflecht transparent machte. Zuerst wirkte die einleitende, sehr leise Klangfläche, die jeden einzelnen Geiger zum Solisten machte, brüchig. Doch nach kurzer Zeit war klar, dass genau darauf der bestimmende Charakter der Musik beruht. Jeweils die beiden Instrumentenpaare Violine, Klavier, Harfe und große Trommel bildeten bedeutende Angelpunkte und kommunizierende Felder aus, die von Röhrenglocken strukturiert wurden. Die stammelnden Floskeln der Instrumentenpaare in Verbindung mit den Liegetönen der Bläser verstärkten die bedrückende Atmosphäre der Musik. So entfaltete sich eine große unterschwellige Spannung. Durch die eher aus momentanen Ereigniseinheiten aufgebauten musikalischen Abschnitte, war nie klar, was wohl als nächstes passieren wird. Genau darin lag auch der besondere Reiz beim Hören der Musik. Nur wenige Entwicklungslinien boten den Zuhörenden Anhaltspunkte. Viel mehr erzeugten Vergrößerungen und Verdichtungen der Ton- und Klangereignisse Höhepunkte und bewirkten impulsive Auffächerungen sowie schubartige Ballungen, die in harten Schlägen mit diabolischen Posaunentönen und Glockenklängen kulminierten.

Viele goutierten die aussagekräftige Musik, denn diese Werkdeutung zeigte eindrücklich auf, dass Musik nicht allein der seelischen Erbauung zu dienen hat. Mit musikalischen Mitteln unserer Zeit können auch die dunklen Seiten unseres Lebens und der Gesellschaft musikalisch tiefsinnig herauskristallisiert und reflektiert werden.

Melodienreiches Requiem


In einem krassen Gegensatz zu Donatonis Komposition stand die „Messa di Requiem“ von Gaetano Donizetti. Die groß angelegte Chor- und Orchesterkomposition entfaltete mehr opernhafte Züge, als dass sie der Sakralmusik verpflichtet war. In einem weitschweifend instrumentierten und im italienischen Belcanto geführten Melodienrausch setzte Donizetti seinem Komponistenkollegen Vincenzo Bellini ein Denkmal. Hervorragend disponiert sangen der Prager Philharmonische Chor (Lukás Vasilek) und der Bregenzer Festspielchor (Benjamin Lack). Die einzelnen Stimmgruppen erklangen gut austariert, so dass alle Chorpassagen und insbesondere die imitatorischen und kontrapunktischen Abschnitte plastisch ausgeformt zur Geltung kamen. Eine besondere Spannung entwickelten auch in diesem Werk – so wie bei Verdi - die Gegensatzpaare zwischen chromatisch und rhythmisch aufgewühlten Gesten und innehaltenden, lyrischen Passagen.

Das Solistenquintett mit der Sopranistin Iulia Maria Dan, der Altistin Annika Schlicht sowie dem Tenor Kyungho Kim, dem Bariton Mattia Olivieri und dem Bass Gianluca Buratto deutete die einzelnen Parts mit viel emotionaler Aussagekraft und feinem Timbre. Im Zusammenwirken aller erklang das „Reqiuem“ musikalisch feinsinnig abgerundet und mit großer Gefühlstiefe. Das Publikum dankte mit lange anhaltendem, herzlichem Applaus.

Vorfreude


Im nächsten Jahr wird Enrique Mazzola die Oper "Moses in Ägypten" von Gioachino Rossini bei den Bregenzer Festspielen leiten. Darauf darf man sich jetzt schon freuen.