Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Bader · 01. Mär 2018 · Musik

Komplexer Jazz, der sich um keine musikalischen Grenzen schert - Heartbeat im ORF-Studio Dornbirn

Die Jazz-Formation Heartbeat stellte am vergangenen Mittwoch im gut besuchten ORF-Studio Dornbirn ihre Debüt-CD „Ins Weite“ vor.

Das Konzert wurde von Radio Vorarlberg live übertragen und begann deshalb um Punkt 20.04. Bettina Barnay begrüßte als Moderatorin nicht nur die enthusiastischen Zuhörer im gut besuchten Saal des ORF-Studio Dornbirn, sondern auch die Hörer der Sendung „Kulturmagazin“ an den Radio-Apparaten. Sie sprach weiters auch die einführenden Worte und führte ein interessantes Gespräch mit dem Bandleader, dem deutschen Bassisten und Leiter des Dornbirner Jazz Seminars Florian King; durch dieses erfuhr das Publikum einiges Wissenswertes zu den Hintergründen der Band. So sei der Name der Band - auf Deutsch „Herzschlag“ - nichts anderes als das Sinnbild dafür, dass King in dieser Gruppe mit seinen „Herzenspartnern“ zusammenspielen dürfe. Es sei sein erstes eigenes engagiertes Projekt nach vielen Jahren der Aktivität als Sideman. Mit dem norwegischen Schlagzeuger und Percussionisten Helge Andreas Norbakken spiele er seit den 1990er Jahren in verschiedenen Formationen zusammen. Als Saxophonist sei der Deutsche Andreas Krennerich seine erste Wahl gewesen; eine Bekanntschaft, die auf sein Jazz-Studium in Stuttgart zurückgehe. Ähnlich sei es bei der Entscheidung gewesen, den Vorarlberger Trompeter und Hornisten Herbert Walser-Breuss mit ins Boot zu holen: ebenfalls ein Herzenswunsch.  Zuerst habe er darüber nachgedacht, auch ein Harmonie-Instrument in die Gruppe aufzunehmen, aber dann habe er gedacht: „Machen wir´s doch ohne.“  Der fünfte „Herzenspartner“ saß am Mischpult: Der Deutsche Ingo Rau sorgte für den perfekten Sound im Saal. 

Stilistisch und klanglich wurde an diesem Abend eine große Bandbreite geboten. 

Für King war es wichtig festzuhalten, dass sich die Band um keine musikalischen Grenzen schert. Und so hörte man an diesem Abend konsequenterweise eine stilistisch und klanglich große musikalische Brandbreite.

Schon das erste Stück des Abends, „Painkiller“, bescherte der Band viel Applaus. Über ein groovendes Kontrabass-Pattern und das lebendige Spiel Norbakkens entwickelte sich ein glitzerndes Unisono-Thema, gespielt von Trompete und Bariton-Saxophon, zu dem sich später King unisono dazugesellte. Musikalische Fortspinnungen führten hin zu virtuosen Soli, die das Bild abrundeten. Als Solist versenkte sich etwa Andreas Krennerich ganz in die Musik: Das war auch seiner Körpersprache anzumerken. Sich windend, in die Knie gehend entlockte er seinem Instrument vertrackte Läufe und spannende Melodiebögen, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Krennerich führte dabei einen äußerst kultivierten Saxophon-Ton vor. 

Elektronics und Pedalboards

Auch Electronics wurden an diesem Abend eingesetzt. King bediente ein reich ausgestattetes Pedalboard, um mit Loops klangliche Schichten zu erzeugen. Dies etwa bei der Titelnummer der CD - „Ins Weite“, einer Komposition von Krennerich.

Sehr schön war das Zusammenspiel von Trompete (gemutet) und Sopran-Saxophon in der Nummer „Flosophie“: Die beiden Instrumente spielten zwar das Thema gemeinsam, arbeiteten aber auch mit Gegenstimmen. In dieser Komposition setzte auch Walser-Breuss Electronics ein: etwa den Delay-Effekt. 

Vierteltönigkeit, Messiaen-Skalen

Florian King erzählte launig, die Stücke schrieben er und Andreas Krennerich. Und fügte  nach einer Kunstpause mit einem Lächeln hinzu: „Und die anderen spielen sie schön.“ Krennerich sei der große Forscher, was Komposition und Skalen angehe. Dieser denke sehr komplex, arbeite etwa mit Viertelton-Skalen und Skalen, die Olivier Messiaen entwickelt habe. Dies war zum Beispiel im Stück „Basal 9“ zu hören. Aber auch Walser-Breuss baute Vierteltönigkeit in sein Spiel ein, etwa im Titel „Am Tellerrand“: Dafür benutzte er eine speziell für ihn konstruierte Trompete mit beweglichem Zug-Mechanismus. 

Der Humor und das Leben

Bettina Barnay scherzte, die zwei alten Autofelgen, die Norbakken als Percussion-Instrumente verwende, müssten nachher wohl wieder auf den Tourbus montiert werden. Norbakken lachte und erklärte bestens aufgelegt, sein Drumset folge einer grundlegende Idee: Er könne damit „dreckige und klare Klänge“ produzieren. Dreckiges und Feines, so wie im echten Leben, sinnierte er.  

Die gefürchteten Odd Meters

Die Nummer „Jeli“ war ein Beispiel für Odd Meters - die von vielen Musikern gefürchteten ungeraden Taktarten - und den Einsatz des E-Basses mit Volumepedal und Delay. Als Intro fantasierte King ausgiebig auf seinem Instrument, dies auch zweistimmig, und erzeugte damit atmosphärische Bilder, die zum Träumen anregten. Das folgende Horn-Solo war nicht nur virtuos, sondern auch von einer berückenden Schönheit. Norbakken faszinierte mit seinem perfekten Timing, seiner Kreativität und seiner lebendigen Körpersprache. 

Keine Langeweile

Die komplexen Nummern vermittelten nie das Gefühl von Überlänge, vielmehr hatte man als Zuhörer das Gefühl, dass die Musiker mit einem genauen Gespür dafür gesegnet sind, wie lang eine Komposition sein darf. Es kam jedenfalls keine Langeweile auf. Florian King sagte aber, sie würden heute sowieso kürzer als üblich spielen. Er meinte dabei wohl auch die Beschränkung auf zehn Nummern, von denen nicht alle auf der CD zu finden sind. 

Immer wieder tosender Applaus für eine ausgezeichnet eingespielte Jazz-Band und ihr CD-Debüt. 

Keine Zugabe. 

Heartbeat: „Ins Weite“. Unit Records 2018