Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 02. Dez 2019 · Musik

In freundschaftlicher Verbundenheit und mit einer romantisch beschwingten Werkauswahl – das SOV mit seinem Ehrendirigenten Gérard Korsten

Beim dritten Abonnementkonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg gab es ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Chefdirigenten Gérard Korsten. Wohl auch aus diesem Grund füllten sich die Reihen im Festspielhaus Bregenz bis auf den letzten Platz. Die Musikerinnen und Musiker des SOV boten mit großer Spielfreude und gutem Einverständnis ein romantische Konzertprogramm, das auch zum Zurücklehnen einlud. Im Mittelpunkt stand der am Vorarlberger Landeskonservatorium tätige Violinist Rudens Turku. Mit einer feinen Tongebung interpretierte er das Violinkonzert Nr. 1 von Max Bruch. Neben der beliebten Nussknackersuite von Peter I. Tschaikowsky lenkte die Aufführung der sinfonischen Dichtung „Flagellantenzug“ von Karl Bleyle die Aufmerksamkeit auf sich.

Dass die Programmgestalter des SOV aus dem großen Fundus von Vorarlberger Kompositionen schöpfen und Werke daraus zur Aufführung bringen, kommt selten vor. Anlässlich des 50. Todestages von Karl Bleyle, dessen Nachlass im Musikarchiv der Stadt Feldkirch liegt, musizierte das Orchester das groß besetzte Orchesterwerk „Flagellantenzug“. Mit der Werkdeutung kam eindrücklich zum Ausdruck, dass Bleyle effektvolle und aussagekräftige symphonische Musik hinterlassen hat. Als Grundlage für sein Werk diente dem in Vorarlberg ausgebildeten Musiker und Komponisten ein eigener Text über Flagellantenzüge.
Darin beschrieb Karl Bleyle den mittelalterlichen Brauch, in dem Männer, sich selbst geißelnd, durch die Straßen zogen, um Buße zu tun. Musikalisch setzte er die Schilderungen in sieben Abschnitten in Szene. Mit kontrastreichen und musikalisch schwelgerischen Themen stellte Bleyle zuerst die „Volksbelustigung vor den Toren der Stadt“ dar. Danach fand er für das „Herannahen der Flagellanten“ einen konträren Ausdrucksgehalt und deutete den „allmählichen Übergang des Volkes zu den Flagellanten“ bilderreich um. Für den „gemeinsamen Einzug in den Dom“ entwarf Bleyle einen hymnischen Choral, stellte den „Abzug der Flagellanten“ in einem großen Decrescendobogen bis zum „Verklingen des Bußliedes in der Ferne“ wirkungsvoll dar und schloss das Werk mit einem versöhnlichen Epilog ab.
Spannend zeichneten die Musikerinnen und Musiker die zuerst ausgelassenen und in weiterer Folge abschattierten Themen nach und formten den Kontrast zum schleppenden Trauermarsch aus. Die Umdeutung der konträren musikalischen Ausgangswelten, deren Zusammenführung und das versöhnliche Ende erklangen plastisch und eindrucksvoll modelliert.

Ein Manko

Wohl kaum jemand aus dem Publikum kannte Bleyles „Flagellantenzug“ und den Text, den der Komponist seinem Werk zugrunde gelegt hat. Deshalb ist es unverständlich, dass im Programmheft keinerlei Angaben zu den Satztiteln und lediglich dürftige Informationen zum Leben und Werk des Karl Bleyle angeführt waren.

Leidenschaftlich, aber wenig klangliche Varianz

Der Geiger Rudens Turku ist in Vorarlberg als Pädagoge am Landeskonservatorium tätig, bereits einige Tonträger mit kammermusikalischen Werken hat der aus Albanien stammende Musiker publiziert. Erstmals trat Rudens Turku als Solist mit dem Symphonieorchester Vorarlberg auf. Max Bruchs berühmtes erstes Violinkonzert deutete er emotionsgeladen, in dem er die leidenschaftlichen Themen feinsinnig und mit transparenten Phrasierungsbögen ausformte. Warm wirkte sein Geigenton in den hohen Registern, jedoch wenig gewichtig in den tiefen Lagen. Der Solist setzte mehr auf die Kantilenen als auf charakterisierende klangliche Varianten und rhythmisch akzentuierende Kanten. Diese Spielart und nicht zuletzt die Klangeigenschaften des Instruments boten nicht die besten Voraussetzungen, um die impulsive Sinnlichkeit des Violinkonzertes von Max Bruch voll zur Geltung zu bringen.
Dies machte sich auch im Zusammenspiel mit dem Orchester bemerkbar. Zwar agierten die Orchestermusikerinnen und -musiker im Zusammenspiel mit dem Solisten zurückhaltend, um den seidigen Geigenton von Rudens Turku nicht zu überdecken. Doch umso mehr trugen die reinen Orchesterpassagen auf, so dass eigentümliche Diskrepanzen entstanden.

Weihnachts- und Neujahrskonzertfeeling

Weihnachtsstimmung machte sich mit den ausgewählten Abschnitten aus den beiden Nussknacker-Suiten, op. 71a und 71b von Peter I. Tschaikowsky breit. Gérard Korsten und das Orchester genossen die klangschwelgerische Musik sichtlich. Mit Hingabe folgten die Musikerinnen und Musiker dem emotionsgeladenen Dirigat und gestalteten unter anderem den russischen, arabischen und chinesischen Tanz, den Tanz der Rohrflöten sowie den Blumenwalzer vielgestaltig und mit beeindruckenden solistischen Darbietungen aus.
In ausgelassener Spiellaune dankte das SOV dem begeistert applaudierenden Publikum und stellte den mitreißenden Trepak nochmals in einem rasenden Tempo in den Raum. Für viele gab es daraufhin kein Halten mehr. Mit Standing Ovations wurden der Ehrendirigent Gérard Korsten und „sein“ Orchester gefeiert.