Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 18. Jul 2016 · Musik

In der kleinen Form des romantischen Liedes liegt die große Welt – Thomas Hampson und Wolfram Rieger zogen bei der Schubertiade Hohenems die Zuhörenden in ihren Bann

Wenn der Bariton Thomas Hampson und der Pianist Wolfram Rieger gemeinsam Lieder von Carl Loewe, Franz Schubert und Robert Schumann interpretieren, sind Werkdeutungen der Superklasse garantiert. Und so war es auch zum Abschluss der Juliausgabe der Schubertiade in Hohenems. Von den ersten Balladen von Carl Loewe über die berühmten Heinevertonungen von Franz Schubert bis hin zu Schumanns Dichterliebe belebten Thomas Hampson und Wolfram Rieger die Kompositionen und entfalteten den mitreißenden Kosmos des Liedgesanges. Faszinierend stellten sich die Künstler mit ihrer ganzen Persönlichkeit und verinnerlichten Meisterschaft in den Dienst der Musik.

Die Balladen von Carl Loewe bildeten einen ausdrucksstarken Auftakt zu den nachfolgenden Heinevertonungen von Schubert und Schumann. Dramatisch gestalteten Hampson und Rieger beispielsweise „Die Überfahrt“ und führten mit „Ich denke dein“ zum ersten Höhepunkt des Abends. Eindrücklich wurden die sehnsuchtsvollen Bilder des Unerreichbaren nachempfunden, mit prägnanten dynamischen Bögen die Weite der Naturschilderungen in der Melodielinie interpretiert sowie mit harmonischen Färbungen im Klavierpart ausgestaltet.

Querverbindungen zwischen Lyrik und Musik


Das Besondere an diesem Liederabend lag darin, dass alle Werkdeutungen idealtypisch dargeboten wurden. Die meisten Textvorlagen stammten von Heinrich Heine, der bekanntlich ein Meister der prägnanten und zugleich vieldeutigen Darstellung war. Durch diese Werkauswahl kamen die intensiven Verbindungslinien zwischen der Lyrik und Komposition, die Liedkomposition so spannend macht, intensiv zur Geltung.

Fast stoisch wirkte Thomas Hampson, mit wenig Gestik voll auf das Wesentliche konzentriert. Er sang mit bewundernswerter Textdeutlichkeit und unglaublichen Nuancierung seiner Gesangsstimme, die von einem nasalen, fahlen Ton bis hin zu kraftvollen Fortissimopassagen reichte.

Gesang und Klavierpart als gleichwertige Partner


Auch Wolfram Rieger kristallisierte die im Klavierpart unterschiedlich eingesetzten kompositorischen Ausdrucksmittel mustergültig heraus. In aufgewühlten Darstellungen der Carl Loewe Balladen und in zukunftsweisenden kompositorischen Sätzen von Franz Schubert lenkte der Pianist die Aufmerksamkeit auf einige neue Hörperspektiven. Selten so ausgeprägt wahrnehmbar waren beispielsweise die Gewichtungen im „Atlas“ oder die diffusen Lichtverhältnisse in „Die Stadt“. Den Boden unter den Füßen, sprich das musikalische Fundament, zog Wolfram Rieger am Ende dieses Liedes eindrücklich weg. Unzählige derlei feinsinnige Facetten ließen sich an dieser Stelle aufzählen. Viele Details wirkten noch lange nach und regten zum Weiterdenken an. Beispielsweise das Lied „Am Meer“, in dem Thomas Hampson und Wolfram Rieger offen ließen, in welche Richtung sie diese Komposition interpretierten und ob der Text von Heinrich Heine auch im Hinblick auf politische beziehungsweise weltanschauliche Metaphern zu deuten ist. Eine wichtige Rolle spielten im „Doppelgänger“ die Zeit und die Stille, damit unterstrichen Thomas Hampson und Wolfram Rieger die Aussagekraft dieses berühmten Liedes zusätzlich.

Mehrdimensionale Deutungen


Die zwanzig Lieder und Gesänge aus dem „Lyrischen Intermezzo“ - das ist die Urfassung der berühmten „Dichterliebe“ - von Robert Schumann ließ die Zuhörenden ganz in die romantische, oft auch hintergründige, dramatische und märchenhafte Welt in der Mitte des 19. Jahrhunderts eintauchen. Die große Bühnenpräsenz von Thomas Hampson zog die Zuhörenden in seinen Bann. Die konzentrierte Ruhe hob die Zeit auf und öffnete den Raum für seine wirklich große Kunst. Die Vor-, Zwischen- und Nachspiele erfüllte Wolfram Rieger mit Leben, so dass die reflektierende musikalische Ebene hervorgekehrt wurde. Besonders in Erinnerung blieben „Ich grolle nicht“, die drastisch gesetzten chromatischen Schübe in „Es leuchtet meine Liebe“ sowie als Conclusio „Die alten, bösen Lieder“, das wieder mit mehreren Bedeutungsebenen faszinierte.