Paul Simon: Stranger to Stranger
So holte sich Simon etwa eine Flamenco-Truppe ins Studio, um deren Klatsch- und Schuhsohlen-Rhythmen aufzunehmen und zu einem auf mehreren Stücken eingesetzten Sample zu verarbeiten, und drei Stücke ließ er sich vom italienischen Electronic Dance Music-Experten Clap!Clap! rhythmisch veredeln. Natürlich spielt auch Paul Simons Faible für Worldmusic – vorzugsweise der afrikanischen und brasilianischen – wieder eine zentrale Rolle. Aber dieses Mal sorgen auch die selbstgebauten Instrumente mit abenteuerlichen Namen wie Chromelodeon oder Cloud-Chamber-Bowls des amerikanischen Soundtüftlers Harry Patch für Exotik, denn dessen mikrotonale Systeme erstrecken sich – im Gegensatz zu den gängigen 12 Untertönen der abendländischen Oktave – auf bis zu 43 Töne. Titel wie „The Werewolf“, „Wristband“, „Street Angel“, „Cool Papa Bell“, „Insomniac’s Lullaby“ oder das Titelstück „Stranger to Stranger“ reihen sich als ganz große Songwriter-Kunst in die Paradestücke Paul Simons ein, der sich auch von den – mal ironischen, mal poetischen – Texten her durchaus auf der Höhe der Zeit bewegt. Produziert wurde das durch und durch gelungene Album vom 81-jährigen Roy Halee, der schon vor 50 Jahren bei all den Simon & Garfunkel-Klassikern, aber auch 1986 bei „Graceland“ an den Reglern saß und für einen wunderbar transparenten Klang sorgte. „Stranger to Stranger“ wird sich vermutlich nicht wie „Bridge Over Troubled Water“ 25 Millionen mal verkaufen, aber die ungebrochene Experimentierfreude des legendären Singer-Songwriters mit der immer noch jugendlich klingenden Stimme ist zutiefst beeindruckend. „Der richtige Song zur richtigen Zeit geschrieben, kann über Generationen hinweg bestehen, ein wundervoller Klang ist für die Ewigkeit.“ Paul Simon muss es wissen.
(Concord/Universal)