Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Thorsten Bayer · 13. Dez 2015 · Musik

I wanna cry with somebody – Scott Matthew im Spielboden Dornbirn

Wenn schon Schwermut, dann bitte auf diese Art: Der australische Singer/Songwriter Scott Matthew, der seit 15 Jahren in New York City lebt, überzeugte als sehr sympathischer, nahbarer Gastgeber sowie als schmachtender Sänger an die Substanz gehender Balladen. Wahrscheinlich um einer drohenden depressiven Stimmung im Saal vorzubeugen, machte er nach jedem Song kleine Witzchen und lockere Sprüche – was auf die Dauer etwas nervte und die Intensität des Konzerts unnötig schmälerte.

Fünf Studioalben hat der schlaksige Künstler mit dem Vollbart schon herausgebracht, das letzte „This here defeat“ erschien im März. Vor der Aufnahme der Songs in Lissabon hatte Matthew große Zweifel, diese Platte auf die Beine stellen zu können: „Es gab eine Zeit in meinem Leben, und die ist nicht lange her, als ich nicht mehr der traurige Kerl sein wollte. Mein Herz war mir mal wieder gebrochen worden, und ich sann darüber nach: Will ich wirklich weiter der Typ sein, der Musik stets zur Verarbeitung seiner Liebesenttäuschungen nutzen wird? In dieser Zeit bin ich auf Tour gegangen und habe währenddessen buchstäblich meine Stimme verloren – ich konnte auf einmal nicht mehr singen“, sagt er. „Wenn ich heute zurückschaue, war diese Zeit die reine Hölle, und doch fühlte es sich an wie höhere Gewalt. Als wolle mir jemand von oben sagen: Okay, wenn du das alles nicht mehr willst, dann nehme ich es dir eben weg. Erst da verstand ich wirklich, wie sehr ich liebe, was ich tue.“

Kontakt zum Publikum

Mit einer derart offenen Haltung tritt er auch in Dornbirn auf. Aus seinem Herzen macht dieser Mann keine Mördergrube, weder beim Schreiben von Songs noch auf der Bühne. Seine neuen Lieder tragen Titel wie „Soul to save“, mit dem er im Spielboden beginnt, „Ruined heart“ oder „Palace of tears“. Beeindruckend sind von der ersten Note an die Inbrunst seines Gesangs und die perfekte Abstimmung mit seiner dreiköpfigen Begleitband (Gary Langol / Piano und E-Bass, Jürgen Stark / Gitarre sowie Sam Taylor an Cello und Ukulele). Immer wieder ist über Scott Matthew zu lesen, er mache Leid zu Lied. Diese Einschätzung ist sicherlich zutreffend und herauszuheben– zumal es sicherlich einige Künstler gibt, deren Werke den umgekehrten Effekt haben.

Matthew tritt als höflicher, stilvoller Gastgeber auf, der mit schwarzem Anzug und einer stets paraten Flasche Rotwein seine Zuhörer an einem schönen Abend aktiv teilhaben lassen möchte. Dazu sucht er immer wieder den Kontakt, spricht beispielsweise ein Paar in der ersten (Stuhl-)Reihe an. Von den beiden, die nach eigenen Angaben seit 23 Jahren zusammen sind, erhofft er sich kompetenten Rat bei seinem Dauer-Thema: Beziehungsfragen. Sehr angenehm ist seine Art, sich selbst auf die Schippe zu nehmen – beispielsweise bei selbstironischen Ansagen vor der nächsten herzzerreißenden Ballade wie „This is the closest thing we´ve got to a rock song“ oder „This is the fun part of the show (Pause) – well, my kind of fun“.

Cover-Versionen mit unverwechselbarer Note

Sein Bariton geht durch Mark und Bein. Im Pressetext zu einem seiner letzten Auftritte in Vorarlberg, 2013 in der poolbar, hieß es treffend über den „leisen Troubadour der Liebe: Scott Matthew verfügt über diese Stimme, mit der er a capella das Telefonbuch vorsingen und dennoch den Philosophen Galimberti etwas Besseren belehren könnte, der in ‚Le cose dell'amore’ schreibt, die Einsamkeit des Herzens sitze so tief, dass keine menschliche Stimme zu ihr vordringen könne. Denn: Scott Matthew kann.“ Schade daher, dass er diesen Eindruck, diese maximale Intensität nicht einfach wirken lässt, sondern permanent durch Witzchen gewissermaßen untergräbt. Nichts gegen einen lockeren Spruch hin und wieder, aber muss das wirklich nach jedem einzelnen Song sein?

Wie nicht anders zu erwarten, zählen die Songs seines 2013er-Albums „Unlearned“ zu den Höhepunkten des Abends. Darauf finden sich ausschließlich Cover-Versionen sehr unterschiedlicher Künstler; von John Denver bis The Jesus and Mary Chain, von Joy Division über Radiohead bis Whitney Houston. Ihr „I wanna dance with somebody“ war die Vorlage für einen von Matthews größten Hits, der auch im ausverkauften Spielboden bestens ankommt. Sollte ein Zuhörer nach dem Genuss dieses oder eines anderen Scott-Matthew-Albums denken: „I wanna cry with somebody“ – Scott Matthew persönlich würde wahrscheinlich selbst gerne die Schulter zum Ausweinen anbieten.