Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 06. Dez 2015 · Musik

Zum Jubiläum in Feierlaune – Das Symphonieorchester Vorarlberg und Gérard Korsten nahmen im Fedkircher Montforthaus das Publikum in ihre Mitte

Mit Spielfreude und Elan trumpfte das Symphonieorchester Vorarlberg beim zweiten Abonnementkonzert auf. Vor dreißig Jahren gründete der Vorarlberger Dirigent Christoph Eberle das Orchester und seit zehn Jahren steht dem Klangkörper Gérard Korsten vor, diese Jubiläen boten Anlass zum Feiern. Auf dem Programm des Jubiläumskonzertes standen zwei Werke von Antonin Dvořák sowie eine neue Komposition des amerikanischen Komponisten John Adams. Das polnische Streichquartett „Apollon Musagète“ mit dem Primgeiger Pawel Zalejski, der in den Reihen des SOV als Konzertmeister hoch geschätzt wird, stand im Mittelpunkt des Abends. Vor allem mit Dvořáks neunter Symphonie zogen Gérard Korsten am Pult und das Orchester die Zuhörenden in den Bann.

Ein besonderes Ereignis stellen jene Konzerte dar, in denen Musiker aus den Reihen des Orchesters als Solisten auftreten. Dieses Mal musizierte Pawel Zalejski als Primgeiger des „Apollon Musagète Quartett“ ein Konzert in der raren Besetzung für Streichquartett und Orchester. Von Pawel Zalejski gingen zahlreiche Impulse aus, die von den Quartettmusikern Bartosz Zachlod (Violine), Piotr Szumiel (Viola) und Piotr Skweres (Violoncello) aufgegriffen und vom Orchester weitergetragen wurden. Mit atemberaubender Spieltechnik und Freude am gemeinsamen Ausformen der motivischen Gestalten entwickelte sich der musikalische Fluss des Werkes feinsinnig und zugleich energiegeladen.

Die Komposition stellte an das riesig besetzte Orchester enorme Anforderungen, denn die in sich feingliedrig verzahnte Musik war rhythmisch sehr komplex angelegt. Die vielfarbige Orchestrierung, ergänzt mit Klavier, Celesta und großem Schlagwerk, entfaltete einen lebendig schillernden Klangteppich. John Adams ist ein ausgewiesener Beethoven-Fan und so webte er originell in seine Musik Beethovenzitate ein, die an vielen Stellen durchschimmerten, wie Energiespender daraus rhythmische Kraft bezogen und damit immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Reizvoll war das Zuhören auch deshalb, weil die Musik mit Humor gestaltet war und auch in diesem Geist erklang. Über die rhythmischen Klippen führte Gérard Korsten die Musiker mit seinem prägnanten Dirigat. Weil die Musik derart fein geschliffen war und der musikalische Charakter des Werkes gut zur Geltung kam, wäre es müßig, an dieser Stelle an Unzulänglichkeiten des Orchesterparts herumzunörgeln.

Zuerst zögerlich, dann energiegeladen


Eine längere Anlaufzeit benötigten die Musikerinnen und Musiker in den „Symphonischen Variationen“, op. 78 von Antonin Dvořák. Die Themenführungen wirkten zuerst diffus, doch ab dem Violinsolo fassten sich alle und die großen Gesten im Tutti sowie der tänzerische Charme der Musik kristallisierten sich heraus. Die kontrapunktische Passage wurde in den Stimmgruppen standfest positioniert und das Finale mit der Stretta verfehlte seine mitreißende Wirkung nicht.

Prägnant und mit Esprit


Es schien, als hätten die Orchestermusiker und Gérard Korsten die Energien in der Werkdeutung von Dvořáks neunter Symphonie ganz besonders gebündelt. Mit klarem Duktus und leidenschaftlich bewegt erklang die Musik. Die kantigen Linienführungen und die straffen Phrasierungen in den Ecksätzen verliehen dem Werk eine große Stringenz. Dem berühmten Largo gaben die Interpreten viel Raum und Zeit. Begeistert reagierte das Publikum im Montforthaus auf diese Darbietung. Positiv zu vermerken ist auch, dass die Akustik im Saal verbessert wurde und so die Musik den Weg von der Bühne ins Auditorium nun besser findet.

Sympathisch war die Art, wie das SOV das Publikum zum Mitfeiern einluden. Die Musiker nahm die Zuhörenden in ihre Mitte, spielten im Foyer auf und das SOV spendierte überdies einen Umtrunk für alle.

Nachlese


Ein Jubiläum gibt natürlich auch Anlass über das Vergangene zu resümieren. Dass das SOV vom Land eher niedrig subventioniert wird, ist seit der Orchestergründung ein viel diskutiertes Thema. Selbstverständlich ist der permanente Geldmangel unbefriedigend. Jedoch hat das projektorientierte Zusammenwirken dem Orchester über all die Jahre hinweg einen jugendlichen Charme und eine Frische erhalten, die immer wieder Staunen macht. Während der Festspielzeit ist der direkte Vergleich mit renommierten Orchestern wie beispielsweise den Wiener Symphonikern möglich. Schon oft hat das SOV bewiesen, dass es mit so namhaften Orchestern mithalten kann.

Christoph Eberle hat das Symphonieorchester gegründet und zwanzig Jahre lang geleitet. Freilich war sein Abgang nicht besonders elegant. Ihn im Jubiläumsjahr jedoch nicht in das Programm einzubinden, wirkt merkwürdig.

Als Landesorchester möchte ich das Symphonieorchester Vorarlberg nicht bezeichnen. Denn wäre es ein Landesorchester würde es ihm gut anstehen, sich mehr für die Vorarlberger Komponistenszene einzusetzen. Im Hinblick auf die Pflege des zeitgenössischen Musikschaffens oder gar Uraufführungen – egal ob von heimischen oder anderen Komponisten - agiert der Geschäftsführer Thomas Heißbauer meiner Ansicht nach viel zu vorsichtig. In sämtlichen anderen Kunstsparten wie Theater, Bildende Kunst oder Film wäre es undenkbar, vornehmlich alte Meister aus früheren Zeiten oder sehr gemäßigte Ausdrucksformen der Gegenwart zu präsentieren, mit der Befürchtung das Publikum würde mit Neuem erschreckt.

Diese Bedenken beruhen meiner Meinung nach auf einer Fehleinschätzung. Denn viele Zuhörende sind Neuem gegenüber offen, wenn die Musik gut ist, eine neue Komposition durchdacht in das Programm eingebettet ist und mit Herzblut präsentiert wird. Genau darin läge auch das Potenzial des Orchesters, denn in den Reihen des SOV sitzen zahlreiche Experten genau im Bereich der Musikvermittlung. Überdies hat Gérard Korsten bewiesen, dass er die Qualifikation für die Aufführung zeitgenössischer Musik hat. Für mich ist es unverständlich, dass diese speziellen Qualitäten nicht viel mehr hervorgehoben werden. Genau in diese Richtung könnte sich das SOV besser positionieren und damit auch profilieren.

Gérard Korsten hat  in den vergangenen Jahren die Klangqualität des Orchesters maßgeblich geformt und offensichtlich stimmt die Chemie zwischen ihm als Chefdirigenten und den Musikern. Jedenfalls darf man sich auf die weitere Entwicklung des SOV freuen und in diesem Sinn für die Zukunft viele mutige Entscheidungen und herausragende Werkdeutungen wünschen - auf zu neuen Ufern.