Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Thorsten Bayer · 19. Nov 2011 · Musik

Herbert Grönemeyer lässt grüßen – Philipp Poisel im Dornbirner Conrad Sohm

Melodische Melancholie und unprätentiöser Singer-Songwriter-Pop zeichnen Philipp Poisel aus. Seit seinem Debüt vor drei Jahren mit der hymnischen Single „Wo fängt dein Himmel an?“ und dem gleichnamigen Album hat der junge Mann aus Ludwigsburg bei Stuttgart viele Fans gewonnen. Beim Konzert im Conrad Sohm, das die Hamburgerin Alin Coen eröffnete, mühte sich der 28-Jährige redlich: Reine Akustik-Nummern, eine Wunderkerze im Gitarrenhals, eine Dia-Show mit Kinderbildern seiner Bandmitglieder. Die ganz große Stimmung wollte leider, von einigen Ausnahmen abgesehen, dennoch nicht aufkommen.

Ein bisschen schräg drauf ist er schon, dieser Philipp Poisel. „Diesen Perserteppich hier, auf dem ich stehe“, erklärt er nach dem zweiten Song, „den habe ich immer dabei, der gibt mir Halt – egal, in welcher Stadt wir gerade spielen.“ Aber vielleicht macht auch genau das seinen Charme aus: Die Mädchen in den ersten Reihen jedenfalls sind hin und weg, werfen Kusshände und formen mit ihren Händen ein Herz. Auf der Bühne nimmt Poisel diese Sympathiebekundungen artig-verlegen entgegen und wirkt dabei, mit seiner Wuschelfrisur und dem grün-weiß gestreiften Oberteil, ein bisschen wie ein großer Schuljunge. Zum Knuddeln irgendwie.

Singer-Songwriter-Pop

„Ein warmer, cooler, schludriger Folksound“, so hat Max Herre, der Sänger von Freundeskreis, Poisels Musik einmal beschrieben. Diese Beschreibung trifft ziemlich ins Schwarze, wenn man den leicht verschroben wirkenden Musiker beobachtet. Trotz einer kleinen Multimedia-Einlage, bei der er seine Band anhand von Kinderfotos vorstellt, ist er nicht der große Showman, will er auch gar nicht sein. Die Musik bleibt immer im Mittelpunkt. In seinen Texten lässt er tief in sein Innerstes blicken. Tieftraurige Balladen stellt er neben optimistisch-poppige Songs wie beispielsweise „Froh, dabei zu sein“, in dem es heißt: „Ich hab zwar kein Vermögen / Doch ein paar Leute, die mich mögen / Und außerdem ist da ein Mädchen, das mich liebt / Ich weiß nicht, ob es auf der Welt was Besseres gibt.“

Parallelen zu Herbert Grönemeyer

Er hat keine Angst, immer wieder die Grenze zum Kitsch zu überschreiten. Hier liegt eine weitere Gemeinsamkeit zu Herbert Grönemeyer, der Poisel 2008 bei seiner Plattenfirma Grönland Records unter Vertrag nahm. „Plauder auf mich ein“, singt Poisel in seinem Song „Zünde Alle Feuer“ – und damit einen Satz, der an Grönemeyers „Halt mich“ erinnert (übrigens: Eine – wunderschöne – Ballade gleichen Titels hat auch Poisel in seinem Repertoire). Ein Rezensent des aktuellen Albums „Bis nach Toulouse“ erkennt auf amazon.de eine weitere Parallele zwischen Mentor und Schüler: „Wer bislang glaubte, Herbert Grönemeyer sei der König der Nuschler, kannte seinen Protegé Philipp Poisel noch nicht. Poisel vernuschelt seine Texte derart hemmungslos, dass man sich beim Zuhören relativ stark konzentrieren muss, um so halbwegs zu verstehen, was uns der Sänger überhaupt mitzuteilen hat und plötzlich mutiert Herbert Grönemeyer zum Verfechter glasklarer Artikulation.“

Dauerhafter Lärmpegel im Publikum

Diese Einschätzung mag etwas überzogen sein, ganz daneben ist sie dennoch nicht. Nur: Für das Publikum im Conrad Sohm scheint das genaue Textverständnis keine nennenswerte Priorität zu haben. Unbeeindruckt vom zeitweiligen Bemühen des Künstlers, seine Liebeslieder einem halbwegs ruhigen Saal zu präsentieren, ist vielen jungen Besuchern das angeregte und dauerhafte Schwätzchen mit dem Nachbarn wichtiger. Die Musiker, allen voran Poisel, sind ganz bei sich und bei ihrer Musik; anders als die Gäste. So springt kein Funke über; so kann er gar nicht überspringen. Das war auch bereits bei der ersten Künstlerin des Abends das Problem: Alin Coen aus Hamburg hatte kaum eine Chance, ihre nachdenklichen Songs angemessen rüberzubringen – zum Beispiel eine Geschichte über Kinder, die in der Babyklappe landen. „Mit Abstand das traurigste Lied“ in einem wahrlich nicht übermäßig fröhlichen Repertoire, das aber in jedem Fall ein aufmerksameres Publikum verdient gehabt hätte.

 

Die nächsten Soundevent-Konzerte:

Fr, 25.11., Event. Center Hohenems: Thirty Seconds To Mars (Support: The Flight Of Apollo + Our Mountain)
Sa, 3.12., Carini Saal Lustenau: Kraftklub (Support: Cannibal Koffer)
Sa, 10.12., Carini Saal Lustenau: 20 Jahre Durty Nelly

www.soundevent.at