Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thorsten Bayer · 17. Aug 2011 · Musik

Hart, aber herzlich rockten Skunk Anansie das Tennis Event Center

Zum Plaudern ist Frontfrau Skin an diesem Abend nicht aufgelegt. Ansagen zwischen den Songs sind äußerst rar. Aber warum auch viel quatschen, wenn man Songs wie „It's Fucking Political“ im Repertoire hat, die absolut für sich selbst sprechen? Mit diesem Song von ihrem erfolgreichsten Album „Stoosh!“ aus dem Jahr 1996 eröffnet die britische Crossover-Band einen schweißtreibenden Abend, der Künstlern und Publikum viel abverlangt.

Der Opener hat es schon in sich, sowohl was die Aussage als auch was die Form angeht: Als Gitarrist Martin Ivor Kent, Spitzname Ace, Bassist Richard Keith Lewis, kurz Cass, Mark Richardson (Drums) und Sängerin Skin die Bühne in Hohenems betreten, geht der Lautstärkeregler sofort ein ordentliches Stück nach oben. Skin, in einem extravaganten Catsuit mit viel Glitzer und aufgesetztem Federteil, braucht keine Aufwärmphase, um in dieses Konzert hineinzukommen. Vom ersten Takt an ist sie voll in ihrem Element. Es wirkt ganz so, als sei diese Band nie weg gewesen: Dabei haben die vier Londoner zwischen 2001 und 2009 nicht zusammen gespielt, sondern sind auf Solopfaden unterwegs gewesen.

Bei „I Can Dream“ bricht das Eis

Die alten Songs aus den Neunzigern sitzen immer noch perfekt und haben keinerlei Patina angesetzt. Neues Material wie „Because Of You“ oder „God Loves Only You“, das nach einigen Stücken eingestreut wird, fügt sich reibungslos in das Programm ein. Doch zunächst will der Funke nicht recht überspringen; so sehr sich die Musiker auch mühen – allen voran Skin. Die Energie, die die 44-Jährige im Übermaß hat, verpufft seltsamerweise. Das ändert sich erst nach rund einer halben Stunde und beim Song „I Can Dream“, als sie die Zuschauer im Tennis Event Center mit einer Stage-Diving-Einlage auf ihre Seite zieht. Ein Hit („Weak“) hinterher, und das Eis ist gebrochen. Jetzt verzieht auch der zuvor komplett stoische Cass erstmals eine Miene und beweist – was vorher kaum möglich erschien –, dass er auch lächeln kann.

Heftiger Sound, charmante Leadsängerin

Wenig später fliegt der schwarze Hut des Bassisten in die Ecke; so kann er die Rastalocken deutlich besser im Rhythmus fliegen lassen. Mark Richardson an den Drums verrichtet Schwerstarbeit bei den gefühlten siebzehn Breaks pro Song. Ace lässt vergessen, dass er der einzige Gitarrist auf der Bühne ist: Wenn er loslegt, klingt es nach mindestens zwei Gitarren. Der Sound ist etwas zu dumpf, besonders der Bass wummert gewaltig. Doch das sind nur Nebensächlichkeiten, über die insbesondere der Charme der Frontfrau locker hinweg tröstet. Ausdrücklich bedankt sie sich bei KIN, der Vorband aus Vorarlberg. Immer wieder grüßt sie einen Rollstuhlfahrer, der vom Bühnenrand aus das Konzert verfolgt, immer wieder sucht sie den direkten Kontakt zu ihrem Publikum. Manch einer wirkt dennoch reserviert; möglicherweise ist diese Show doch dem einen oder anderen zu hart. Die größten Hits, allesamt Balladen, mögen darüber hinwegtäuschen, dass man es hier mit einer handfesten Rockband zu tun hat.

Mittendrin statt nur dabei

Bei der allerletzten Zugabe, nach „Hedonism (Just Because You Feel Good)“, bringt Skin die verdutzten Zuschauer dazu, sich hinzuhocken und steigt selbst von der Bühne herunter. Auf ihr Kommando springen alle los, Skin mittendrin. Berührungsängste kennt die als Deborah Ann Dyer geborene Sängerin wahrlich nicht. Ihren Spitznamen hat sie übrigens noch aus Jugendtagen, als sie sehr mager (englisch „skinny“) war. Nach dem politischen Song zu Beginn schließt sich jetzt der Kreis bei „Little Baby Swastikkka“, das sich um Rassismus und Hakenkreuze dreht.

„Leute zum Schwitzen bringen ist Handwerk“

Auf die Frage nach der Rolle von MySpace und Youtube für die heutige Generation von Musikern hat Skin einmal in einem Interview gesagt: „MySpace ist wie ein Trainingsplatz, auf dem man Aufmerksamkeit und Rezensionen sammeln kann. Beides rüstet dich und stärkt deinen Stand auf dem Markt enorm.“ Aber diese Kanäle seien eben nur Übungsgelände – für die richtige Show: „So ein Stream ersetzt keinesfalls die Live-Erfahrung. Leute zum Schwitzen zu bringen, ist Handwerk, das kann man nicht theoretisch abhaken.“ Und um in diesem Sprachbild zu bleiben: In dieser Disziplin sind Skunk Anansie längst keine Gesellen mehr, sondern echte Meister.