Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 06. Mär 2010 · Musik

Faszinierend verwoben mit schillernden Details - Das Duo „Raw Materials“ mit Vijay Iyer und Rudresh Mahanthappa spielte atemberaubend gut

Im Rahmen der Reihe „Jazz&“ am Dornbirner Spielboden begeisterten Vijay Iyer am Klavier und Rudresh Mahanthappa am Altsaxophon als Duo „Raw Materials“. Nomen est omen formten sie ihre musikalischen Ideen individuell und auf eine abenteuerliche Art neu. Beide Musiker erregten die Aufmerksamkeit, allerdings zog mich Vijay Iyer durch seine perkussive Anschlagskultur und spannende Klanggebung sowie sein vielschichtiges Spiel am Klavier besonders in seinen Bann.

Der Konzertabend wurde von Vijay Iyer, der international als Komponist und Musiker hohe Anerkennung genießt, mit einer Tonfloskel in den höchsten Lagen des Klaviers eröffnet. Durch die Wiederholung wirkten die Intervallbeziehungen durchdringend und sie wiesen den Weg, den das Duo in den kommenden zwei Stunden gehen wird, unkonventionell changierend zwischen tradierten Tonsystemen, freitonal und mit modalen Tonmustern. Stringent und geistreich durchschritten die Musiker ihre Welt. Dabei gönnten sie weder sich noch dem Publikum eine Verschnaufpause, so dass von den Zuhörenden viel Konzentration abverlangt wurde.

Virtuoses Zusammenspiel

Die Kompositionen von „Raw Materials“ wirkten durchdacht angelegt. Vijay Iyer und Rudresh Mahanthappa bestachen im Duett vor allem durch ihr glasklares Zusammenspiel, das allen Werken einen besonderen Drive verlieh. Die unisono gespielten Floskeln dienten als Klammern und energetische Impulsgeber, aus denen die Musiker jeweils ihr eigenes musikalisches Material schöpften und weiterentwickelten. Faszinierend war mitzuverfolgen, wie einesteils die horizontal geführten Linien des Saxophones und andernteils die vertikal ausgerichteten Passagen des Klaviers zueinander in Beziehung gesetzt wurden.

Unterschiedliche Schichten übereinander gelagert

Vijay Iyer imaginierte durch sein Spiel in unabhängig voneinander geführten Schichten eine ganze Band. Äußerst impulsiv wirkte sein Anschlagskultur, so dass die Töne fast durchgehend in gestochen scharfem Staccato erklangen. Der durchdachte Akkordaufbau und der Einsatz von Tonaggregaten bewirkte zahlreiche perkussiv geführte Passagen, die ein ganzes Schlagzeug ersetzten. Dass Vijay Iyer ganz genau Bescheid weiß über den Obertonaufbau und die Überlagerung einzelner Tonqualitäten, kam in verschiedensten Facetten seines Spiels zum Ausdruck. Die Anlage der Musik in unterschiedlichen Ebenen schuf einesteils übereinander geschichtete Verläufe. Sie wurden jedoch in einem gut ausbalancierten Spiel zwischen Spannung und Entspannung immer wieder aufgelöst, zusammengeführt, gespreizt, gegeneinander ausgespielt oder in poetisch-lyrischen Klangfeldern aufgelöst. Das Repertoire an musikalischen Einfällen und Kniffen, unerwarteten Wendepunkten, kraftvoll gestalteten Schüben durch immer mehr verdichtete Floskeln zu Clustern ließe sich an dieser Stelle noch lange fortsetzen. So geistreich, spontan und mit einem ganz individuellen Ausdruck am Klavier habe ich schon lange keinen Pianisten mehr erlebt.

Kunstvolle Verzierungen

Rudresh Mahanthappa war für Vijay Iyer ein idealer Partner. Er ließ sich vom Klavierpart tragen, tauchte unter, griff Ideen auf, gestaltete sie weiter und übernahm immer wieder auch das musikalische Zepter. Was der Pianist in harmonischer Hinsicht den melodischen Kerngedanken abverlangte, gestaltete der Saxophonist in der horizontalen Linie. Dabei verzierte er die Melodien überaus kunstvoll mit bewundernswerter Technik, die Glissandi und komplexe Vorschlagnoten und Rhythmisierungen mit einschloss. Damit erreichte Rudresh Mahanthappa Verzahnungen zum Klavierpart, die vielen Stücken immer wieder Antrieb verliehen und zugleich bündelten. Der Saxophonist entfaltete zahlreiche lyrische Qualitäten, vor allem dann, wenn er orientalische Verzierungsmuster anspielte, die teilweise den Tonraum mit Mikrointervallen ausfüllten. Die Rollenaufteilungen des Duos „Raw Materials“ wirkten über weite Strecken klar. Aber stets spielten sie mit Bedacht aufeinander, so dass genügend Freiraum für den jeweils anderen zur Verfügung stand. Die Musik, die an diesem Abend geboten wurde, war formal gut nachvollziehbar, äußerst dicht verwoben und faszinierend vielschichtig im Detail.