Faurés Requiem in Orgelversion gelang überzeugend in Koproduktion von Stella und Herz Jesu unter der Leitung des Graubündners Clau Scherrer. (Foto: Victor Marin)
Michael Löbl · 17. Okt 2022 · Musik

Erstes Konzert im Zyklus „Dornbirn Klassik" – ein Heimspiel für den Pianisten Aaron Pilsan im Kulturhaus Dornbirn

Bei Restaurantbesuchen kommt es ja manchmal vor, dass die Vorspeise bereits so gut ist, da möchte man eigentlich mehr davon haben und die Hauptspeise rückt in den Hintergrund. Ähnlich war es auch am Donnerstagabend in Dornbirn. Als Vorspeise gab es eine für alle Besucher frei zugängliche Konzerteinführung von Robert Schneider. Das war so interessant, locker und humorvoll präsentiert, dazu fachlich fundiert – man hätte noch wesentlich länger zuhören können.

Bachs geheime Botschaften

Robert Schneider hat sich auf ein Werk des Programmes konzentriert, nämlich auf die berühmte d-moll Chaconne von J.S. Bach. Die Musikwissenschaftlerin Helga Thoene hat sich intensiv mit diesem rätselhaften Stück beschäftigt, das zeitlich mit dem Tod von Bachs erster Frau zusammenfällt. Darüber hat sie ein Buch geschrieben, in dem sie versteckte Botschaften in Form von Chorälen zum Thema Tod und Auferstehung sowie eine spezielle Zahlensymbolik zu erkennen glaubt. Ihre Theorie wurde in der musikwissenschaftlichen Welt heftig diskutiert. Robert Schneider brachte seinen Zuhörern das Geheimnis der Bach'schen Chaconne in Zusammenhang mit Helga Thoenes Forschungen näher, sein Vortrag war unterhaltsam und lehrreich, alleine deshalb hätte sich der Besuch des Kulturhauses an diesem Abend gelohnt.

Heimspiel

Für Aaron Pilsan, der in Dornbirn aufgewachsen ist, war der Abend ein Heimspiel, daher auch dementsprechend gut besucht. Der inzwischen 27-jährige Pianist hat in seiner Laufbahn viele Auszeichnungen erhalten, er war Nachwuchskünstler des Jahres der Zeitschrift „Fono Forum“ und trat im Rahmen des Rising-Stars-Programmes in den bedeutendsten europäischen Konzertsälen auf. Als Kammermusikpartner des Cellisten Kian Soltani hat er eine CD für die Deutsche Grammophon eingespielt und mehrmals war er gemeinsam mit Kian Soltani im Rahmen der Schubertiade zu erleben. 2021 veröffentlichte Aaron Pilsan eine viel beachtete und hochgelobte Einspielung von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“, Band I.
Aaron Pisan hatte das Programm des Konzertes gegenüber dem gedruckten Ablauf komplett umgestellt, im zweiten Konzertteil gab es verdutzte Gesichter, da die Leute glaubten George Enescu zu hören, der aber seltsamerweise wie Franz Liszt klang. Mit der Suite Nr. 3 op.18 von Enescu – nun der Abschluss des Programmes – verweist Aaron Pilsan auf seine rumänischen Wurzeln. Es ist ein faszinierendes, allerdings nicht  leicht zugängliches Werk mit einer ganz eigenen Harmonik, zartesten Abstufungen und Schattierungen. Aaron Pilsan interpretierte das fantastisch, mit unglaublichen dynamische Details, der Charakter jedes einzelnen Satzes wurde faszinierend bildlich gezeichnet, die Musik bekam Zeit, um zu atmen. Die Melancholie der Mazurka und der brillant umgesetzte Humor der Burlesque wird allen Zuhörern noch länger im Gedächtnis bleiben. Das war wirklich großartig gespielt. Das begeisterte Publikum „erklatschte“ sich dann noch zwei Zugaben von Enescu und Bach.

Ein Virtuose mit Tiefgang

Der zweite Konzertteil begann mit Auszügen aus den irrwitzig schwierigen Transzendentalen Etüden von Franz Liszt. Pilsan war ganz Virtuose, überzeugend und technisch überlegen. Liszt ist hier an die absolute Grenze dessen gegangen, was auf einem Flügel technisch noch machbar ist. Jeder Pianist, der sich traut, diese Etüden im Konzert zu spielen, verdient absolute Bewunderung.
Vor der Pause ein monumentales Variationenwerk von Robert Schumann, die Symphonischen Etüden op. 13. Auch hier zeigte sich Aaron Pilsan als brillanter Pianist, dem es gelang, trotz der verschiedenen Einzelteile eine kontinuierliche Steigerung vom Thema bis zum Finale im Fortissimo zu gestalten.
Nicht ganz so überzeugend gelang das Eröffnungsstück, J.S. Bachs Chaconne aus der Violinpartita in d-moll in der Fassung für Klavier linke Hand von Johannes Brahms. Nach Robert Schneiders Einführung, in der die Größe und Bedeutung dieses Werkes für die abendländische Musik betont wurde, konnte Aaron Pilsans Interpretation diesen Vorschusslorbeeren nicht ganz gerecht werden, das angekündigte Gefühl der Größe wollte sich nicht so wirklich einstellen. Lag es am bereits ziemlich flott gespielten Thema oder an der eher zurückhaltend gewählten Dynamik? Dennoch blickte man fasziniert auf die untätige rechte Hand des Pianisten, während die linke alleine den Kosmos dieser außergewöhnlichen Komposition zu meistern hatte.

www.aaronpilson.com
www.dornbirn.at/leben-in-dornbirn/leben/kultur/dornbirn-klassik-2022-23