Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 22. Jän 2016 · Musik

Erfreuliche Begegnungen und starke Gefühle – Die Wiener Symphoniker musizierten unter der Leitung von Lahav Shani mit der Geigerin Hilary Hahn

Mit einem beschwingten Konzertprogramm gastierten die Wiener Symphoniker bei den Meisterkonzerten im Bregenzer Festspielhaus. Im Mittelpunkt stand Hilary Hahn mit ihrer Deutung des Violinkonzertes, op. 53 von Antonin Dvorak, das sie mit einer kraftvollen und leidenschaftlich-lyrischen Note entfaltete. Die meiste Aufmerksamkeit lenkte der erst siebenundzwanzigjährige, isrealische Dirigent Lahav Shani auf sich. Er war für den erkrankten Chefdirigenten Philippe Jordan eingesprungen und faszinierte mit seinem körperbetonten Dirigat und seinem musikalischen Gespür für Gegensätze in der Musik.

Hilary Hahn und die Wiener Symphoniker entfalteten Dvoraks leidenschaftlich bewegtes Violinkonzert op. 53 in einem schönen Einverständnis miteinander. Mit meisterhaft hin gesetzten Doppelgriffen und kraftvollen Strichen breitete Hilary Hahn die Themen aus. Ihre charakterstarke Tongebung wirkte erdig und natürlich, sodass die Eigenheiten der aus der slawischen Volksmusik inspirierten Musik farbenreich zur Geltung kamen. Schöne Akzente setzten die Orchestermusiker, indem sie die auffordernden Gesten der Solistin lustvoll aufnahmen und weiter trugen. Den Höhepunkt der Werkdeutung bildete der elegische Mittelteil, den alle gemeinsam mit einer kammermusikalischen Spielart entfalteten. Die piano geführten Linien bewirkten schöne perspektivische Klangfelder. Der auf Volkstänze Bezug nehmende und die zugleich an die Vitalität eines Vivaldi erinnernden Themen im Finalsatz musizierte Hilary Hahn energiegeladen, markant und mit einem amüsanten Augenzwinkern. Ihre bewundernswerte Bogenführung verlieh einigen Passagen einen mitreißenden perkussiven Touch.

Körperbetont und variantenreich


In der Darbietung der Ouvertüre „Karneval“ von Antonin Dvorak kamen die Vorzüge des jungen, israelischen Dirigenten, der bereits eine internationale Karriere gestartet hat, in vollen Zügen zur Geltung. Mit ausgewogenen Wechselspielen zwischen den Stimmgruppen und fulminanten Steigerungen wurde das mitteilsame Werk in den Raum gestellt. Rahav Shani dirigierte einerseits sehr körperbetont, aus der Schulterpartie heraus und leitete die Musikerinnen und Musiker mit variantenreichen, ausdrucksstarken Gesten. Andererseits verströmte er mit seiner differenzierten Körpersprache eine große Ruhe, sobald er die Musikerinnen und Musiker in lyrische musikalische Felder führte.

Weiters beeindruckte Dvoraks „Karneval-Ouvertüre“ mit variantenreichen Klangfarbenspielen. In Erinnerung blieben beispielsweise der Einsatz der Harfe und die Art, wie das Englischhorn aus dem melodischen Fluss heraus die Linie weiter führte.

Nicht bis ins Detail geführt


Die Interpretation der vierten Symphonie von Johannes Brahms gelang nicht so eindrucksvoll, wie die zuvor gehörten Werke. Woran dies lag, ist nicht einfach zu erklären. Allerdings war in dieser Werkdeutung spürbar, dass Lahav Shani und die Wiener Symphoniker diese komplex angelegte Symphonie (noch) nicht mit einem ganzen gegenseitigen Einverständnis erarbeitet haben. Während beispielsweise Lahav Shani, auswendig dirigierend, differenzierte dynamische Verhältnisse ausdeutete, reagierte das Orchester irritierend wenig darauf. Unter anderem kamen auch motivisch-thematischen Überleitungen und Phrasierungsbögen nicht so prägnant zur Geltung wie erwartet.

Eine Bereicherung


Wie gut sich der sympathische Dirigent und die Wiener Symphoniker verstehen, war erlebbar. Er gratulierte und dankte vielen Solistinnen und Solisten aus den Reihen des Orchesters persönlich und stellte sich bewusst zwischen die Orchestermusiker. Mit dem wunderbar zelebrierten „Slawischen Tanz“ von Antonin Dvorak dankten die Wiener Symphoniker und Lahav Shani den Zuhörenden für den jubelnden Applaus. Ab der Spielzeit 2016/2017 ist Lahav Shani erster Gastdirigent der Wiener Symphoniker - zur Freude der Musikerinnen und Musiker und des Publikums.