Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 09. Jän 2012 · Musik

Eine Wanderung durch die Nacht in den Morgen – das Jazzorchester Vorarlberg und der Kammerchor „Vocale Neuburg“ gestalteten ein höchst bemerkenswertes Gemeinschaftskonzert

Das Jazzorchester Vorarlberg und der Kammerchor „Vocale Neuburg“ haben schon öfters bewiesen, dass sie für außergewöhnliche Projekte zu begeistern sind. Vor zwei Jahren haben sie das Werk „Carpe Noctem“ des oberösterreichischen Komponisten Johannes Berauer zur Uraufführung gebracht. Weil das inszenierte Konzert damals hervorragend aufgenommen worden ist, wurde die Komposition nun erneut interpretiert. Auch die Aufführung in der Pfarrkirche St. Christoph in Dornbirn fand viel Zustimmung.

Johannes Berauer hat „Carpe Noctem“ im Auftrag des Jazzorchesters Vorarlberg (JOV) komponiert und ein in sich schlüssiges Werk vorgelegt. Eine Inspirationsquelle boten ihm Gedichte von Ilse Aichinger, Rainer Maria Rilke sowie Richard Dehmel. Auch die jungen Autoren Josef Prenner und Philipp Klittich unterstrichen mit ihren Texten die emotionalen Grundgehalte der Komposition. Eine Viertongruppe bot eine gute motivische Klammer, um die Charaktereigenschaften der einzelnen Abschnitte auszuformen.

Dicht verwobenes Ganzes

Dem Werk „Carpe Noctem“ liegt die dramaturgische Idee einer (Seelen-)Wanderung „vom Dunkel zum Licht“ zugrunde. Dieses Sujet diente bereits zahlreichen Komponisten als Ausgangspunkt. Deshalb war die Frage spannend, welchen Zugang Johannes Berauer gewählt und ausgearbeitet hat. Präsentiert wurde eine dichte, gut proportionierte Komposition, die den ZuhörerInnen Freiraum für eigene Interpretationen ermöglichte. Anklänge an berühmte musikalische Persönlichkeiten wie Carl Orff, Philipp Glass oder Jan Garbarek waren zwar vernehmbar, doch nie wirkte der musikalische Erzählfluss imitierend oder plakativ.

Wichtige Rolle der Farben

Die emotionalen Grundstimmungen der einzelnen Stationen während der Performance wurden durch das farbenreiche Lichtdesign von Thomas Bischofsberger und Josef Madlener unterstrichen. In elf Abschnitten boten der gut disponierte Kammerchor „Vocale Neuburg“ (Einstudierung: Oskar Egle) und das ausdrucksstark agierende Jazzorchester Vorarlberg unter der Gesamtleitung des Komponisten Johannes Berauer eine Reise in das innere Erleben eines imaginierten Protagonisten.
Der archaische Tonaufbau am Beginn und der Einzug der ChorsängerInnen verstärkten die sakrale Stimmung und hüllten den Kirchenraum in ein in sich kreisendes Klanggewebe. Im Wechselspiel zwischen Saxophon und Trompete (Martin Franz und Martin Eberle) mit Imitationen, Hall- und Echowirkungen entwickelte sich die Musik langsam und vorerst ziellos. Aufhorchen ließen originelle Tonkonstellationen, die beispielsweise ein ständiges Absinken implizierten.

Unterschiedliche Grundstimmungen

Instrumentale Abschnitte boten Ruhepole, die das JOV transparent und mit einem gut aufeinander abgestimmten Klang spielte. Die wirklich dunklen Seiten der Nacht wurden in motorischen Abschnitten mit kurzen rhythmischen Motivketten und kantig deklamierten Texten ausgeformt. Doch eine feierliche und in sich verinnerlichte Grundstimmung war vorherrschend. Dafür fand Johannes Berauer schöne Klangkonstellationen. Raumgreifend wirkten die mit Dämpfer und viel Geräuschanteilen gespielten Passagen sowie Zischlaute. Diese schufen einen spannenden Übergang zum heller werdenden musikalischen Verlauf. An den Seitenwänden postierte SängerInnen nahmen das Publikum in die Mitte und hüllten es in eine beeindruckende Klangwolke, in der vor allem die Obertongesänge zur Geltung kamen. Zum Schluss hin wurde das Werk hymnisch gesteigert.